Einleitung.
§ 1. Begriff des Strafprozeßrechts.
I. Das Strafprozeßrecht steht in dienender Stellung neben dem materiellen Strafrecht,
es ist um des Strafrechts willen da. Das Strafrecht krürmmt keinem Verbrecher ein Haar.
Es bestimmt zwar, der Mörder habe die Todesstrafe, der Dieb die Gefängnisstrafe verdient,
der Staat habe einen so oder so gearteten Strafanspruch gegen den Delinquenten, aber die
Verbrecherwelt kann dieser papiernen Paragraphen spotten, solange sich das Strafrecht nicht
wirkend betätigt. Die Inslebensetzung des Strafrechts ist Aufgabe des
Strafprozeßrechts.
Prozeß im allgemeinen (processus, Rechtsgang) ist ein Verfahren, eine Gesamtheit
von Handlungen, die auf die Feststellung und Verwirklichung der vom materiellen Recht ge-
forderten Zustände und Vorgänge (auf Rechtsschutz) gerichtet sind:; Strafprozeß oder
Strafverfahren (nach früherem Sprachgebrauch Kriminalprozeß, peinliches Verfahren) ist die-
jenige Prozeßgattung, die der Feststellung und Verwirklichung von Strafansprüchen dient;
und demgemäß ist Strafprozeßrecht (auch formelles Strafrecht genannt) der Inbegriff
derjenigen Rechtssätze, die bestimmen, in welcher Weise die Strafansprüche festgestellt und
realisiert werden sollen.
Normales Ziel des Strafprozesses ist die Aufdeckung des Strafanspruchs behufs seiner
Verwirklichung. Die Strafklage ist somit, zivilprozessualisch gesprochen, komndemnatorische,
Leistungsklage. Sie erschöpft sich einerseits nicht in dem bloßen Begehren einer Fest-
stellung: wo die Verwirklichung des Strafanspruchs ausgeschlossen ist, wie nament-
lich im Falle des Todes des Schuldigen, findet grundsätzlich kein Strafprozeß statt, und das
deutsche Recht kennt ganz folgerichtig auch keine Rechtsmittel, die bloß „en faveur de Ila loi“
eingelegt würden; andererseits stattet derjenige, der die Strafklage als konstitutive oder
Bewirkungsklage auffaßt, diese mit Kräften aus, die ihr nicht zukommen: nicht erst das Straf-
urteil soll Schuldige schaffen oder rechtsgestaltend wirken, sondern schon die Tat hat den Täter
schuldig gemacht; das Strafurteil spricht dies nur autoritativ aus.
II. Das Strafprozeßrecht ist, wie das materielle Strafrecht, ein Teil des öffentlichen
Rechts. Strafrecht und Strafprozeßrecht haben aber ein jedes sein scharf umrissenes Gebiet.
Während das Strafrecht die Voraussetzungen und den Inhalt des Strafanspruchs bestimmt,
nach ihm also die Strafe lediglich auf dem Papier steht, hat es das Strafprozeßrecht in keiner
Weise mit der Strafbarkeit einer Tat, sondern lediglich mit Ob und Wie der Verfolgbar-
keit einer Person zu tun. Es ist mithin auch unmöglich, daß es Sätze gebe, die gemischten
(strafrechtlichen und strafprozessualen) Charakters seien, wie mehrfach behauptet wird; die
scharfe Scheidung ist von Wichtigkeit z. B. für StPO. ös 380, 384 (Revision), für die Frage
der Rückwirkung neuerlassener Rechtssätze usw.
III. Die sich zum Strafpiozeß zusammenschließenden Handlungen sind überwiegend
solche von Behörden und Beamten. Die Einrichtung und amtliche Stellung dieser Straf-
justizorgane wird durch das Strafgerichtsverfassungsrecht geregelt, welches
unten in der Lehre von den Prozeßsubjekten mit zur Darstellung kommt.
Literatur zum Strafprozeß: Aus der Zeit vor der RSt PO. haben ihren Wert behalten:
Planck, Systematische Darstellung des deutschen Strafverfahrens auf Grundlage der neueren
Siwaafprogehordnungen (1857) und Zachariä, Handbuch des deutschen Strafprozesses, 2 Bände
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