Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

128 Ernst Beling. 
die Strafgerichte den Prozeßgegenstand sachlich prüfe und darüber entscheide und die dafür 
erforderlichen Handlungen vornehme. Gegen die Konstraktion eines solchen Rechts darf nicht 
geltend gemacht werden, daß in der Regel der Staat ja selber der Berechtigte sei und nicht wohl 
ein Recht gegen sich selbst haben könne; denn mit der Auseinanderlegung der Funk- 
tionen des Rechtsschutzheischens und des Rechtsschutzibens im modernen Staat ist es 
möglich (und notwendig) geworden, den Staat als zugleich Berechtigten und Verpflichteten 
zu fassen. 
Ein Recht auf Obsieg im Prozeß (als Seitenstück zu dem zivilprozessualischen Rechts- 
schutzanspruch im Sinne Wachs, Hellwigs ufw.) stellt das Strafklagerecht nicht dar. Die 
Bejahung des Strafklagerechts kann mit Freisprechung des Angeklagten verbunden sein. Erst 
Strafklagerecht und wirklich bestehender Strafanspruch ergeben zusammengenommen das Recht 
auf Obsieg. 
III. Maßgebender Zeitpunkt für die Notwendigkeit des Gegebenseins eines Strafklage- 
rechts ist der Zeitpunkt der Entscheidung (nicht der der Prozeßeinleitung). Deshalb genügt 
es z. B., daß der Strafantrag während des Verfahrens gestellt ist. 
IV. Die Strafklagerechtsvoraussetzungen sind streng zu trennen von den Bedingungen 
der Strafbarkeit, d. h. den Umständen, die vorliegen müssen, damit ein materieller Strafanspruch 
gegeben ist. Die Bedeutung des Gegensatzes tritt z. B. in folgenden Beziehungen hervor: 
1. Fehlen einer Strafklagerechtsvoraussetzung führt lediglich zur formalen Beendigung 
des Verfahrens ohne sachliche Prüfung des Prozeßgegenstandes — „Einstellung des 
Verfahrens“ —, so, daß (nach Eintritt der Strafklagerechtsvoraussetzung) eine Erneuerung 
des Verfahrens stattfinden kann. Im Gegensatz dazu führt das Fehlen einer Strafbarkeits- 
bedingung zur Freisprechung, so, daß (nach eingetretener Rechtskraft) der geltend ge- 
machte Anspruch nicht wieder geltend gemacht werden kann. 
2. Die zeitliche Herrschaft der Rechtssätze über Strafklagerechtsvoraussetzungen richtet 
sich nach Prozeßrecht, vgl. ESt PO. ö#s 8, 10, 12; die zeitliche Herrschaft der Rechtssätze über 
Strafbarkeitsbedingungen nach StGB. 8 2. 
3. Im schwurgerichtlichen Verfahren hat über Strafklagerechtsvoraussetzungen der Gerichts- 
hof, über Strafbarkeitsbedingungen die Geschworenenbank zu befinden. 
Auch in St PO. I# 384, 380, StGB. F 4 a. E. wird der Gegensatz von Bedeutung. 
Zweites Kapitel. 
Der Prozeßgegenstand. 
8 6. A. Die Zulässigkeit des Strafrechtsweges. 
Literatur: Gravenhorst, Der sog. Konflikt bei gerichtl. Verfolgung von Beamten 
(1908); Friedländer, Die Grenzen der Zivil- und Militärstrafgerichtsbarkeit, Gerichtssaal 
Bd. LVII S. 29 (1899); Schlayer, Deutsche Militär= und Zivilgerichtsbarkeit (1900); Be- 
ling, Tabellen zur MStG. (1902); Weigel, Die Zuständigkeitsgrenzen zwischen Militär- 
und Zivilgerichtzvarteit (1902); Gerland, Der 5& 10 der MStGO., in der Festschrift für Thon 
(1911); sselborn, Die Ministerverantwortlichkeit im Großherzogtum Hessen (1902); 
Heilborn in Goltdammers Archiv Bd. XIVII S. 371. 
I. Prozeßgegenstand, abstrakt genommen, ist alles, worum sich ein Strafprozeß 
vor den ordentlichen Strafgerichten drehen kann, alles, wofür die ordentliche Strafgerichts- 
barkeit gegeben, der ordentliche Strafrechtsweg zugelassen ist (ESt PO. § 3, EGG. 52); das 
sind nach GVG. § 13alle Strafsachen, für die nicht die Zuständigkeit von Verwaltungs- 
behörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist, oder besondere Gerichte reichsrechtlich bestellt 
oder zugelassen sind. 
II. „Strafsachen" (causae criminales) sind diejenigen Rechtsangelegenheiten, bei 
denen es sich um Verhängung einer (staatlichen) „Strafe im eigentlichen Sinne“ (im Gegen- 
satz zu Ordnungsstrafen, Disziplinarstrafen, Vertragsstrafen usw.) handelt, — die staatlichen 
Strafansprüche, als Objekt des Strafprozesses gedacht. 
 
	        
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