138 Ernst Beling.
Rechtspflege beteiligt: als ständiger Richter der Konsul, vom Kaiser ernannt und vom Reichs-
kanzler zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigt; neben ihm Laien, vom Konsul aus den
achtbaren Gerichtseingesessenen erwählt. Für die deutschen Schutzgebiete gilt Entsprechendes
mit der Maßgabe, daß an Stelle des Konsuls ein vom Reichskanzler zur Ausübung der Gerichts-
barkeit ermächtigter Beamter steht.
§ 11. III. Die bestehenden Gerichtsanstalten und ihre Besetzung.
Literatur: Jahrbuch der preußischen Gerichtsverfassung, redigiert im Bureau des Justiz-
ministeriums. Pfafferoth, Jahrbuch der deutschen Gerichtsverfassung. Beide periodisch
erscheinend.
Aus dem in F 10 bezeichneten Personal sind eine beträchtliche Zahl von Gerichts-
anstalten, „Gerichten“ im grundlegenden Sinne des Wortes, gebildet, und zwar nicht mit
dem ausschließlichen Charakter von Strafgerichten, sondern so, daß denselben Gerichtsanstalten,
die als Strafgerichte in Betracht kommen, auch Zivilsachen und freiwillige Gerichtsbarkeit zu-
fallen, und nur zu Zwecken der Strafjustiz bestimmte Rechtsprechungskörper an diesen Gerichts-
anstalten formiert werden (darüber Näheres in § 12). Besetzt sind diese Gerichtsanstalten mit
Berufsrichtern und gerichtlichen Nebenpersonen; die Laienrichter gehören gerichtsverfassungs-
mäßig den Gerichtsanstalten nicht als Mitglieder an, sondern werden nur den Rechtsprechungs-
körpern eingegliedert (§ 12).
I. Die von Reichs wegen zur Rechtspflege einschließlich der Strafrechtspflege berufenen
einheimischen Gerichtsanstalten sind die Amtsgerichte (z. Z. 1954 an Zahl), die Landgerichte
(. Z. 176 an Zahl), die Oberlandesgerichte (mit Einschluß des zu ihnen gehörigen Kammergerichts
in Berlin 29 an Zahl) und das Reichsgericht, dessen Sitz (Leipzig) durch besonderes Reichsgesetz
vom 11. April 1877 bestimmt worden sst.
1. Die Amtsgerichte sind besetzt mit einem oder mit mehreren Amtsrichtern (Amtsgerichts-
räten). Bei Vorhandensein mehrerer Amtsrichter nimmt einer die Stellung eines „Aussicht-
führenden Richters“ oder „Oberamtsrichters“ ein (einen „Amtsgerichtspräsidenten“ haben
Berlin, Dresden, Leipzig).
2. Jedes Landgericht hat an der Spitze einen Landgerichtspräsidenten, ferner einen oder
mehrere Landgerichtsdirektoren und eine sich nach der Geschäftslast richtende größere oder ge-
ringere Zahl von Landrichtern (Landgerichtsräten).
3. Jedes Oberlandesgericht hat einen Oberlandesgerichtspräsidenten, einen oder mehrere
Senatspräsidenten und eine sich nach der Geschäftslast richtende Zahl von Oberlandesgerichts-
räten.
4. Das Reichsgericht hat einen Reichsgerichtspräsidenten, mehrere Senatspräsidenten
und eine erhebliche Zahl von Reichsgerichtsräten.
(Zu diesen von Reichs wegen bestellten Gerichten tritt für Bayern noch das Oberste Landes-
gericht in München, das in seiner Eigenschaft als Strafgericht auf gleicher Stufe mit den Ober-
landesgerichten steht, während es in Zivilsachen mit dem Reichsgericht parallel ist, S 8—10
EGVG.)
Bei jedem dieser Gerichte muß eine Gerichtsschreiberei bestehen (5 164 GVG.).
II. Außerhalb des Reichsgebiets fungierende ordentliche Gerichte sind die konsularischen
und die kolonialen deutschen Gerichtsanstalten, besetzt mit je einem Konsul (Vizekonsul usw.),
bzw. „Richter“ im Schutzgebiet. Die herrschende Meinung behandelt diese Gerichte als „be-
sondere“, nicht als ordentliche Gerichte (vugl. oben § 6 III 2). Der Name „Sondergericht" täuscht
nämlich: er klingt, wie wenn jedes Gericht unter den Begriff fiele, für welches Besonderheiten
gelten. In Wahrheit sind Sondergerichte Gerichte mit besonderem Wirkungskreis, Gerichte,
vor die besondere Arten von Rechtssachen gehören. Da nun vor die konsularischen und kolo-
nialen Gerichte genau dieselben Rechtssachen gehören wie vor die heimischen ordentlichen Gerichte
(mit Ausnahme bestimmter Kategorien), so ergibt sich ohne weiteres, daß es sich um ordentliche
Gerichte handelt.