Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

Strafprozeßrecht. 147 
I. Parteien sind — bei Zugrundelegung des sog. formalen Parteibegriffs — diejenigen 
Wesen, auf deren Namen der Prozeß gestellt ist, also derjenige, in dessen Namen von ihm selbst 
oder einem anderen die (Straf= bzw. Buß-) Klage erhoben ist, und derjenige, gegen den als Be- 
schuldigten oder (vgl. oben § 8) Quasibeschuldigten die Klage gerichtet ist. 
Soll aber der Prozeß nicht von vornherein aussichtslos sein, so müssen die Parteien 1. partei- 
fähig und 2. zur Sache legitimiert, prozeßführungsberechtigt, sein. Der Klage eines nicht Partei- 
fähigen oder nicht zur Sache Legitimierten und der Klage gegen einen solchen müßte der Rechts- 
schutz geweigert, es dürfte auf sie hin nicht zu sachlicher Prüfung des Prozeßgegenstandes vorge- 
schritten werden (vgl. oben §& 5). 
II. Parteifähigkeit ist diejenige Wesenseigenschaft, bei deren Vorhandensein 
dem Betreffenden kraft Rechtens die Möglichkeit eröffnet ist, in einem Strafprozeß generell 
(Gegensatz: in diesem oder jenem konkreten Strafprozeß) Strafrechtsschutz im eigenen Namen 
begehren zu können (aktive Parteifähigkeit) bzw. als Passivsubjekt in Anspruch genommen werden 
zu können (passive Parteifähigkeit). 
Parteifähig ist heute im Strafprozeß 
1. für die Kläger rolle grundsätzlich nur der Staat; andere Personenverbände und 
physische Personen, insbesondere auch der Tatverletzte, haben keine aktive Parteifähigkeit und 
folgeweise auch kein Strafklagerecht. (Das äußerste Recht, das der Verletzte hat, ist das, ein 
Klageprüfungsverfahren, St PO. §§ 170 ff., herbeizuführen. Grundverschieden von dem Straf- 
klagerecht ist auch das Strafantragsrecht des Verletzten.) 
Ausnahmsweise sind für Strafprozesse, in denen es sich um Beleidigungen, Körper- 
verletzung und unlauteren Wettbewerb handelt, auch „Private"“ aktiv parteifähig behufs Er- 
hebung einer sog. Privatklage. Hier gestattet das Recht, daß der Prozeß aus den Namen eines 
Privaten als des Klägers gestellt wird. (Die abweichende Konstruktion, wonach der Privat- 
kläger nur Vertreter des Staates sein soll, erscheint unhaltbar. Vertretung des Staates durch 
eine in ihren Entschließungen durchaus unabhängige Privatperson wäre überaus abnorm.) 
2. Passiv parteifähig sind im Strafprozeß nur lebende, über 12 Jahre alte physische 
Personen. Gegen juristische Personen, Verstorbene, sowie derzeit noch nicht 12 Jahre alte ist 
ein Strafprozeß schlechthin unstatthaft. 
III. Die Bejahung der Parteifähigkeit bedeutet nur Denkbarkeit einer zulässigen Straf- 
verfolgung, an der die betreffenden aktiv und passiv beteiligt sind. Damit die Strafverfolgung 
in concreto wirklich zulässig sei, muß außerdem eine gewisse Beziehung der Parteien zu dem 
konkreten Prozeßgegenstand obwalten in seiner individuellen Artung, der Kläger muß der „richtige“ 
Kläger, der Beschuldigte der „richtige“ Beschuldigte sein; sonst hätten die Betreffenden trotz 
ihrer Parteifähigkeit in dem konkreten Prozeß nichts zu suchen. Diese Beziehung ist die 
Sachlegitimation, das Prozeßführungsrecht. 
Das Prozeßführungsrecht ist nicht identisch mit dem Strafanspruch; auch in einem Prozeß 
um einen in Wahrheit nicht bestehenden Strafanspruch, in einem Prozeß, der mit Freisprechung 
endet, muß es natürlich sachlich legitimierte Parteien geben. Immerhin steht die Sachlegitimation 
in Beziehung zu dem Strafanspruch als einem hypothetischen : sachlich legitimiert 
für einen konkreten Strafprozeß sind grundsätzlich diejenigen Wesen, die unter der Unterstellung, 
daß der Strafanspruch, um den es sich in ihm handelt, besteht, als die Subjekte des jus puniendi 
(das berechtigte und das verpflichtete Subjekt) erscheinen, die „Materialparteien“". Danach ist 
gumdsetzlich aktiv legitimiert derjenige Staat, aus dessen Strafgesetz die Frage nach der Straf- 
barkeit des Beschuldigten in der konkreten Angelegenheit zu beantworten ist; passiv dasjenige 
Individuum, um dessen Strafbarkeit es sich handelt. 
In Abweichung von dieser Regel ist jedoch 
1. für die Geltendmachung von Strafansprüchen, die sich auf das deutsche Reichs straf- 
recht gründen, korreal mit dem Reiche jeder deutsche Bundesstaat prozeßführungsberechtigt; und 
2. soweit Private aktiv parteifähig sind (Privatklagedelikte, oben II) ist für die Kläger- 
rolle derjenige legitimiert, der als der durch die Tat Verletzte erscheint, StPO. § 414 I (oder 
nach § 414 II statt seiner wegen gewisser naher Beziehungen zu ihm kraft eigenen Rechts als 
Kläger auftreten kann). 
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