Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

Strafrecht. 13 
A. Das Verbrechen nach seinen wesentlichen Merkmalen. 
Erstes Kapitel. 
Das Verbrechen als Handlung. 
8 4. Das Wesen der Handlung. 
Bestandteile der Handlung. Das Verbrechen ist eine Handlung, also können 
jedenfalls Gedanken und Entschlüsse noch nichts Verbrecherisches sein. Positiv gehört zum 
Handlungsbegriff nach den verschiedenen Definitionen, die man dafür aufstellt, mindestens eine 
aus menschlichen Körperbewegungen bestehende Tätigkeit. Die Körperbewegungen können 
zweierlei Art sein: 1. willkürliche, 2. unwillkürliche, d. h. erzwungene, auf mechanische Ein- 
wirkung oder unmittelbaren inneren Reiz (wie z. B. beim Krampfanfall) beruhende. An einem 
dahingehenden Gegensatz — wenn vielleicht auch mit anderen Bezeichnungen — muß man 
festhalten, mag man auch die Willensfreiheit verneinen. Denn nähme man an, daß alle Körper- 
bewegungen gleicherweise unter einem inneren oder äußeren Zwange ständen, so wäre 
jede Bestrafung unbillig und dem Strafrecht überhaupt die Grundlage entzogen. Nur „will- 
kürliche“ Körperbewegungen gehören zu der verbrecherischen Tätigkeit und demgemäß zu der 
Handlung im strafrechtlichen Sinn. Wenn also der Arzt bei einer Operation von einem Dritten 
gestoßen wird und einen zu tiefen Schnitt macht, hat er nicht nur keine fahrlässige Körper- 
verletzung, sondern überhaupt keine strafrechtlich relevante Handlung begangen. 
Da die Körperbewegung schon im Augenblick ihrer Vornahme Wirkungen hervorruft, 
kann der Begriff der Handlung nicht mit der verbrecherischen Tätigkeit erschöpft sein, sondern 
muß auch die aus ihr hervorgehenden Wirkungen mitumfassen. Freilich können nicht alle Wir- 
kungen unter den strafrechtlichen Begriff der Handlungen fallen. Denn strafrechtlich interessiert 
nur die Tat bis zu derjenigen Wirkung, an welche die Rechtsordnung als besondere Folge die 
Strafe geknüpft hat. Das ist der Erfolg. Die nachfolgenden Wirkungen scheiden als un- 
erheblich aus. Zur Handlung gehört also die Tätigkeit mit ihren Wirkungen bis zum Erfolg 
einschließlich. 
Kausalzusammenhang. Selbswerständlich kann jemand für einen Erfolg nur 
dann verantwortlich gemacht werden, wenn er denselben durch seine Tätigkeit herbeigeführt 
hat. Der Erfolg und die verbrecherische Tätigkeit müssen im Kausalzusammenhang stehen. 
Nun stehen alle Dinge in einem gewissen Zusammenhang, und neben der verbrecherischen Tätig- 
keit müssen, wenn ein Erfolg zustande kommen soll, noch andere Faktoren mitwirken. Die 
letzteren sind wohl vom naturwissenschaftlichen und philosophischen Standpunkte aus auch Ur- 
sachen, aber die Jurisprudenz wird sie als bloße Werdebedingungen ansehen und den Begriff 
der Ursache auf diejenigen Faktoren beschränken müssen, welche für das tägliche Leben als 
spontane Bewegungkräfte erscheinen. Die menschliche Tätigkeit gehört zweifellos hierhin. 
Sie kann darum Ursache eines Erfolgs sein. Sie ist es aber nur dann, wenn die durch sie 
angeregte und zum Erfolg hinführende Kausalkette nicht unterbrochen wird. 
Eine Unterbrechung geschieht entweder durch ein dazwischentretendes Naturereignis (z. B. 
der tödlich Verwundete wird vom Blitz erschlagen) oder durch die Tätigkeit eines anderen 
Menschen, der sich seinerseits zum Herrn über die angeregte Kausalkette macht (z. B. X. gibt 
dem von A. tödlich Getroffenen den Gnadenstoß). Die Aneignung der Herrschaft muß hinzu- 
kommen. Ohne daß sich jemand zum Her# über die Kausalkette macht, unterbricht er nicht 
die fremde Tätigkeit. Der Kausalzusammenhang wird daher durch die ungeschickte Behand- 
lung des Arztes nicht unbedingt schon dann gestört, wenn bei größerem Geschick der Verwundete 
am Leben erhalten wäre. Auch muß der Kausalzusammenhang bestehen bleiben, wenn neben 
der verbrecherischen Tätigkeit eine andere auf dasselbe Ziel hinarbeitet und dieses erst durch die 
Verbindung beider erreicht wird. 
Unterlassung. Das Verbrechen haben wir als Handlung bestimmt. Nun ist es 
aber auch möglich, durch Unterlassung ein Delikt zu begehen. Soll die Unterlassung eine Spezies 
 
	        
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