Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

Strafprozeßrecht. 151 
EBGB.). Dagegen kann gewillkürte Stellvertretung nur in der Erklärung, nicht im Willen 
als statthaft anerkannt werden. 
Mehrere etwa vorhandene Antragsberechtigte sind voneinander unabhängig (§ 62 StGBB.). 
Auf Passivseite dagegen ist der Antrag „unteilbar“, d. h. es genügt die Antragstellung gegen 
einen Schuldigen zur Strafverfolgung gegen sämtliche Beteiligten, sowie den Begünstiger 
(& 63, 64 Abs. 2 StEB.). 
Die Antragsfrist beträgt drei Monate und beginnt mit dem Tage, an dem der Antrags- 
berechtigte von der Tat und dem Täter Kenntnis erlangt hat (§ 61 St GB.). Eine Sonder- 
bestimmung gilt in dieser Hinsicht für wechselseitige Beleidigungen und Körperverletzungen 
(& 198, 232 StGB.). Die Antragstellung setzt, um wirksam zu sein, eine bestimmte Form 
voraus (5 156 Abs. 2 St PO.). 
Grundsätzlich ist der einmal gestellte Strafantrag unzurücknehmbar. Ausnahmen gelten 
nur für bestimmte Delikte, und zwar so, daß die Zurücknahme nur bis zur Verkündung eines 
auf Strafe lautenden Urteils erfolgen kann (5 64 St GB.). 
2. Die sog. „Ermächtigung" (§ 99, 101, 197 StGB.) ist eine dem Strafantrage 
analoge Strafklagerechtsvoraussetzung. Sie muß aber stets von Amts wegen von der Staats- 
anwaltschaft eingeholt werden und ist unbefristet und unzurücknehmbar. 
III. Eine noch weitergehende Ausnahme vom Offizialprinzip stellt die Privatklage 
dar. Zwar nicht in dem Sinne, als gebe es Delikte, die nur von privater Seite, nicht durch 
den Staat verfolgt werden könnten (der Staat ist für alle Delikte parteifähig, vgl. St P. § 416); 
wohl aber so, daß bei den Privatklagedelikten (die einen Ausschnitt aus dem Kreise der Antrags- 
delikte bilden) außer dem Staate und unabhängig von ihm auch Private zur Klage ermächtigt 
sind, also das staatliche Klage monopol durchbrochen ist (uvgl. oben s 18 1I). 
8 22. B. Das Klageformprinzip. 
Literatur: Bgl. zu § 18. Ferner: Biener, Abhandlungen II S. 36 ff; Lienbacher, 
Anklagegrundsatz und Anklageform (Pest 1857); Ortloff (Lit. zu § 21); Gneist, Vier Fragen 
(1874) S. 58 ff.; Glaser, Prinzip der Strafverfolgung (Gesammelte Schriften Vo. I S. 429), 
1868; Eisler, Die Form im Strafprozesse (1897); Heinze in Goltd. Arch. Bd. XXIV 
S. 265 ff.; v. Kries, Ztschr. f. St#W#. Bd. IX S. 7; Bierling, Ztschr. f. StrR. Bd. X 
S. 310 (1890); Richard Schmidt, Die Herkunft des Inquisitionsprozesses (in der Fest- 
schrift der Univers. Freiburg zum 50 jährigen Regierungsjubiläum des Großherzogs Friedrich von 
Baden) (1902). 
Obwohl das heutige Recht das Akkusations prinzip grundsätzlich ablehnt (oben § 21), 
spielt sich doch der Prozeß durchweg in der Klage- (Akkusations-) Form ab und nicht in der 
Inqussitionsform, — processus accusatorius, nicht inquisitorius, — d. h. das Gericht hat nicht 
gleichzeitig Klagefunktionen, sondern die Betreibung des Prozesses in der Richtung gegen den 
Beschuldigten ist Sache eines besonderen Klägers; speziell hat der Staat als Kläger ein besonderes 
Klageorgan: die Staatsanwaltschaft (oben § 19). Deshalb ist der heutige Strafprozeß, wenn 
dies auch mitunter bestritten wird, als Parteiprozeß zu konstruieren (vgl. oben §& 8), 
wie denn auch die St PO. selbst von „Parteien" spricht. Der Beschuldigte ist heute nicht bloßes 
Inquisitionsobjekt, und das Gericht kann Strafprozesse niemals ex oflicio, sondern immer nur 
auf Klage einleiten (§ 151 St PO.). Daß die Strafverfolgung stets die strengste Gerechtig- 
keit zum Ziele hat, die Staatsklage also niemals einseitig nur die dem Beschuldigten ungünstigen 
Momente ins Auge faßt, daß die Staatsanwaltschaft sogar „zugunsten" des Beschuldigten Rechts- 
mittel einlegen kann, alles das widerstreitet der Konstruktion des Strafprozesses als Parteiprozeß 
nicht. Denn bei alledem verfolgt der Staat sein eigenes Interesse; um seinetwillen, nicht als 
Anwalt des Beschuldigten — der ja Manns genug ist, seine Interessen selber wahrzunehmen, 
und dazu Helfer und zahlreiche prozessualische Rechte hat — setzt der Staat alles daran, Unschuldige 
vor Strafe zu behüten und dem Schuldigen keine ärgere Strafe als die ihm gebührende auf- 
zubürden. 
Starr durchgeführt ist das Klageformprinzip freilich nicht. Es ist z. B. der Zurücknehm. 
barkeit der Klage ein Ziel gesetzt (I§s 154, 431 St PO.), und die Anträge der Parteien bestimmen, 
bedingen und begrenzen das gerichtliche Handeln im allgemeinen nicht (von manchen Autoren
	        
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