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anträge, die nicht im Hauptverhandlungstermin gestellt sind, überhaupt keine Beweisanträge
im Sinne des 8 243 Abs. 2 StPO.). Meist aber bedeutet die Einhaltung der Zeit nur eine
Zulässigkeitsbedingung für die Prozeßhandlung oder — bei Pflichthandlungen — die Fest-
legung des Zeitpunktes der Pflichterfüllung.
8. Einzelne Prozeßhandlungen.
I. Richterliche Entscheidungen.
Literatur: Hegler, Zur Stellung der Gerichte im Strafverfahren, in der Festschrift für
Binding (1911).
§ 32.
1. Prozeßerledigende Entscheidungen.
a) Im Allgemeinen.
Literatur: Eisler in Grünhuts Ztschr. Bd. XVII S. 587 ff.; v. Kries, Ztschr. f.
Strf Wiss. Bd. V S. 32 ff.; Ordrtloff, Goltd. Arch. Bd. IX S. 372; Mittermaier, Arch.
des Krim R. N. F. 1844, S. 312 ff.; v. v ar, Recht und Beweis im Geschworenengericht (1865):
Derselbe, Krit. Bchr. Bd. X S. 468; Zacke, Über Lerichussffung. in Versammlungen
und — (1867); Heinemann, Ztschr. f. SttRW. Bb. XV S. 1, 217.
I. Die Prozeßerledigung, d. i. der Ausspruch, daß der Prozeß zu Ende sein
solle, erfolgt teils in der Form des Urteils, teils in der des Beschlusses. Ein Urteil ergeht nämlich
bei Entscheidung über den Prozeßgegenstand („Sachentscheidung“) im Hauptverfahren. Wird
dagegen entweder die Sachentscheidung außerhalb des Hauptverfahrens gefällt
(St PO. §§ 202, 449), oder wird wegen Mangelhaftigkeit des Prozeßverhältnisses oder Fehlens.
des Strafklagerechtes gar nicht in eine Prüfung der Sache selbst eingetreten, sondern das
Verfahren eingestellt — „Formalentscheidung“ —, so geschieht dies prinzipiell durch
Beschluß oder Verfügung. Nur in drei Fällen erscheint die Formalentscheidung in Urteilsform:
a) wenn bei Antragsdelikten wegen Mangels eines Strafantrags eingestellt wird (§ 259
St PO.);
b) wenn ein Privatklageverfahren für beendet erklärt wird, weil die Tat nicht privat-
klagefähig sei (§ 429 St PO.);
e) wenn sich im Verfahren nach vorangegangener polizeilicher Strafverfügung die Tat
als nicht polizeifähig herausstellt, und dieserhalb das Verfahren durch Formalentscheidung
enden muß (§ 458 St PO.).
II. Bei der Urteilsfällung dürfen, wie bei jeder Entscheidung, Richter nur in der gesetzlich
bestimmten Anzahl mitwirken (5 194 G.). Die Leitung der Beratung ist Sache des Vor-
sitzenden; ihm liegt demgemäß die Stellung der Fragen und die Sammlung der Stimmen ob
(§ 196 GVG.). Die Entscheidungen erfolgen grundsätzlich nach der absoluten Mehrheit der
Stimmenz; zersplittern sich die Meinungen derart, daß ihrer mehr als zwei sind, und keine die
absolute Majorität für sich hat, so werden die dem Beschuldigten nachteiligsten Stimmen den
zunächst minder nachteiligen so lange hinzugerechnet, bis sich eine Mehrheit ergibt (§ 198 G.).
Eine ungemein weitgreifende Ausnahme gilt jedoch nach ss 262 Abs. 3, 307 St PO. für die
Schuldfrage: sie kann nur mit Zweidrittelmehrheit bejaht werden. Die Reihenfolge der Stimm-
abgabe ist im Interesse tunlichster Unbeeinflußtheit dahin geregelt, daß zuerst ein etwa er-
nannter Berichterstatter, dann die übrigen Beisitzer und zwar nach dem Dienstalter (bei Schöffen-
gerichten die Schöffen nach dem Lebensalter) von unten nach oben, der Vorsitzende in jedem
Falle zuletzt stimmen; bei den Geschworenen richtet sich die Reihenfolge der Abstimmung nach
der Auslosung, unter Ausschluß jedoch des Obmanns, der zuletzt stimmt (§ 199 GV.).
Offen gelassen hat das Gesetz die Frage nach der Methode der Abstimmung infolgedessen
streitet man darüber, ob „Totalabstimmung“ oder „Abstimmung nach Gründen“ (schrittmäßige
Abstimmung über jedes einzelne Element des Denkprozesses, z. B. über Notwehr, geistige Ge-
sundheit, vorsatzausschließenden Irrtum des Angeklagten usw.) stattzufinden habe. Das Richtige
ist Totalabstimmung in dem Sinne, daß allemal die zu fällende Entscheidung selbst zum Ab-