Strafprozeßrecht. 165
II. Prozeßrechtsgeschäftliches Handeln der Parteien.
89 35.
1. Ladung.
I. Ladung ist die an eine Partei oder einen Dritten formell ergehende Aufforderung
zum persönlichen Erscheinen; ihr Gegensatz ist die formlose Aufforderung, namentlich die sog.
Gestellung einer Person.
II. Grundsätzlich gehen die Ladungen von den Parteien aus, und zwar prinzipiell von
der Staatsanwaltschaft (Ss 213, 36 Abs. 1 St PO.), eventuell vom Angeklagten, Privat= oder
Nebenkläger (unten §§ 68—70). Das Gericht ordnet gewöhnlich nur an, daß die Staatsanwalt-
schaft gewisse Ladungen erlassen solle; es selbst erläßt die Ladung nur ausnahmsweise (5 36
Abs. 2, § 425 Abs. 2 St PO.).
8 36.
2. Die Klage.
Literatur: Otker, Strafprozeßbegründung und Strafklagerhebung bei Erlaß und bei
Wegfall eines Eröffnungsbeschlusses (1900)) Anonymus in Goltd. Arch. Bd. X S. 238;
L. (Anonymus,) in v. Holtzendorffs Strafrechtszeitung Bd. IX S. 560; Karl Meyer, Ein-
rede der Rechtshängigkeit im Strafprozeß, Blätter für Rechtsanwendung, LXVIII S. 129;
Lang, Die Rechtshängigkeit im Strafverfahren (1910); Otker, Wirksamkeit der Entscheidungen
.. und Rechtshängigkeit (1910).
I. Klage ist der prozessualische Akt, durch den der Kläger das Gericht anruft behufs
selbständiger — also nicht bloß unterstützender (Ermittlungsrichter, 5 160 St P.) — richter-
licher Tätigkeit.
Die Klage ist, wenn sie von der Staatsanwaltschaft oder (St PO. § 464) der Verwaltungs-
behörde ausgeht, „öffentliche“ oder „Staatsklage“, wenn sie vom Privatkläger ausgeht, „Privat-
klage“.
II. Unter den Begriff der Klage fallen
1. der Antrag auf Voruntersuchung t(nur der staatsanwaltschaftliche, § 168
St PO.; der Antrag des Beschuldigten auf Voruntersuchung ist natürlich keine „Klage');
2. die (staatsanwaltschaftliche, privatklägerische oder verwaltungsbehördliche) Anklage,
d. i. das Verlangen nach Durchführung eines Hauptverfahrens, und zwar besteht die Anklage
a) regelrecht im Antrag auf Erlaß eines Eröffnungsbeschlusses (§# 168, 198, 421, 464
St PO.):
b) eventuell im Antrage auf alsbaldige Hauptverhandlung in den Sonderfällen der §5 211
(summarisches Verfahren), 265 (Inzidentklageverfahren), 456, 462 (Verfahren nach
polizeilicher Strafverfügung und administrativem Strafbescheid).
3. Daneben kann die Klage in bestimmten Fällen auch erhoben werden in Form eines
Antrages auf Erlaß eines Strafbefehls (§ 448 St PO.).
4. Eine besondere Klageart ist endlich der Antrag auf Einleitung einesobjek-
tiven Verfahrens (§ 477 St PO.).
III. Wirkung der Klageerhebung ist Rechtshängigkeit (Gerichtshängigkeit) der
Strafsache — res in indicium deducta est, lis pendet —, d. h.:
1. Das angerufene Gericht ist mit der Strafsache befaßt, es ist ermächtigt,
tätig zu werden, und zwar:
a) Volle Rechtshängigkeit tritt ein in den Fällen I1 2—4; hier ist das Gericht ermächtigt,
die Sache zur Aburteilung zu bringen; die Klage erscheint als Vollklage.
Natürlich kann aber — vgl. § 204 St PO. — das Gericht hier auch bloß Vorunter-
suchung, soweit solche zulässig ist, anordnen (§5 199, 200 St PO.) (arg. a fortiori).
b) Im Falle II 1 tritt Unur Rechtshängigkeit zu Untersuchungszwecken
ein: das Gericht kann nur eine Voruntersuchung anordnen und erst dann auf