Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

Strafrecht. 15 
findet, eintreten, und der Erfolg nicht, da er seinem Wesen nach eine natürliche Wirkung wie 
jede andere ist und der Ort seines Eintritts mehr oder minder vom Zufall abhängt. 
Jedes Stück der Handlung hat den gleichen Anspruch auf Beachtung. Darum muß sie 
überall da als begangen angesehen werden, wo sich ein wesentliches Stück derselben verwirk- 
lichte, also sowohl an dem Ort der Tätigkeit als auch an dem des Erfolgs. 
Genau so wie mit dem Ort verhält es sich mit der Zeit der begangenen Handlung. Diese 
dehnt sich zwar über eine Zeitstrecke aus, aber doch kann diese nicht als Einheit bestimmend sein. 
Die Handlung muß vielmehr als in jedem Zeitteilchen begangen gelten, in dem sich ein wesent- 
liches Stück derselben realisierte. 
§ 5. Handlungs= und Verbrechenseinheit und -mehrheit. 
Nach Betrachtung des Wesens des Verbrechens gilt es, dessen äußere Form zu unter- 
suchen, um zu bestimmen, wann ein und wann mehrere Verdbrechen vorliegen. 
Da das Verbrechen wesentlich Handlung ist, bedarf es hierfür zunächst einer Umgrenzung 
der Handlungseinheit. 
Die Handlung besteht aus zwei Hauptstücken, aus Tätigkeit und Erfolg. 
Nahm der Täter nur eine einzige Körperbewegung vor, wie z. B. die Berührung des 
Knopfes einer elektrischen Leitung, so liegt jedenfalls nur eine Handlung vor, mögen daraus 
auch mehrere verbrecherische Erfolge, z. B. die Beschädigung einer Sache und die Verletzung 
einer Person , entstanden sein. 
Handlung mit mehreren Körperbewegungen. Meist setzt sich jedoch 
die Tätigkeit aus einer Reihe von Körperbewegungen zusammen. Verwundet der A. den X. 
durch einen Schuß und durch einen Stich, so fragt es sich, ob noch eine einheitliche Tätigkeit 
angenommen werden kann. Die Antwort wird danach zu geben sein, welcher Erfolg angebahnt 
wurde. Letzteres wird man aber verschieden bestimmen, je nachdem man einen subjektiven 
oder objektiven Maßstab anlegt. Nach dem einen wird man die Absicht oder das Bewußtsein 
des Täters, nach dem anderen die Tatsache den Ausschlag geben lassen, daß eine Ursache zum 
Erfolg gesetzt ist. Bestand nach der einen oder anderen Ansicht der angebahnte Erfolg in dem 
Tod des A., so erscheinen beide Verwundungen als bloße Akte der Tötung; bestand er aber 
in der Verletzung des A., so bildet jede Verwundung schon für sich eine Tätigkeit. In dem 
ersteren Falle liegt um der Einheit der Tätigkeit willen eine Handlung vor. Im letzteren 
Fall dagegen hat die Mehrheit der Tätigkeiten auch eine Mehrheit von — selbständigen oder 
unselbständigen — Handlungen zur Folge. 
Handlung mitmehreren Erfolgen. Die Mehrheit von Erfolgen, wie in 
dem Fall, wenn ein Steinwurf eine Person verletzt und eine Sache beschädigt hat, vermag nach 
fast allgemeiner Meinung nie eine Mehrheit von Handlungen zu schaffen. Denn wenn auch 
der Erfolg der Tat ihren Charakter gibt, so folgt daraus doch noch nicht, daß Erfolg und Hand- 
lung identisch sind. Zu jeder Handlung gehört eine, und zwar besondere Tätigkeit. Wenn man 
aber glaubt, diesem Erfordermis werde dadurch genügt, daß die eine Tätigkeit in der anderen 
enthalten sei, so irrt man. Denn solange zwei Dinge miteinander fest verbunden sind, bilden 
sie eine Einheit. Siamesische Zwillinge, die miteinander organisch verbunden sind, wird man 
meist wohl als zwei Teile eines Wesens ansehen. 
Begründet nun die Mehrheit der verbrecherischen Erfolge keine Handlungsmehrheit, so 
kann sie auch, wie gegen eine weitverbreitete Ansicht angenommen werden muß, keine Mehr- 
heit von Verbrechen begründen. Denn jedes Verbrechen hat eine an sich selbständige Existenz 
und kann seinen Hauptbestandteil, die Handlung, nicht mit einem anderen teilen. 
Mehrere Erfolge in einer Handlung stellen den Fall der sog. Idealkonkurrenz dar, 
worunter man gewöhnlich eine Verbrechensmehrheit bei Handlungseinheit versteht. Für eine 
Konkurrenz mehrerer Verbrechen in einer Handlung kann man sich aber nicht auf das positive 
Recht berufen. Denn dieses behandelt die Handlungseinheit in § 73 St G., die Handlungs- 
mehrheit in § 74 StGB. und spricht wohl im letzteren Paragraphen von Verbrechensmehrheit, 
vermeidet aber in § 73 StGB. jede dahingehende Bezeichnung. Was bei mehreren Erfolgen 
in einer Handlung konkurriert, sind nicht mehrere Verbrechen, sondern mehrere Strafgesetze.
	        
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