Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

Strafprozeßrecht. 173 
III. Eine Beweisfrist ist dem Strafprozeßrecht nicht bekannt; § 245 St PO. verfügt 
ausdrücklich, daß eine Beweiserhebung nicht deshalb unterbleiben darf, weil das Beweismittel 
oder das Beweisthema zu spät vorgebracht sei; im Gegenteil muß sogar behufs sorgfältigster 
Vorbereitung eine Aussetzung der Hauptverhandlung erfolgen, wenn eine neue Tatsache oder 
ein neues Beweismittel auftaucht, und eine Einziehung von Erkundigungen darüber dem 
Gegner bisher nicht möglich war. 
Auch das Recht, einen Beweisantrag als „lediglich auf Verschleppung der Sache gerichtet“ 
abzulehnen, gibt die StPO. dem Gericht nirgends. Die gegenteilige, vom Reichsgericht gebilligte 
Praxis führt zu einer argen Verkümmerung der Parteirechte und gefährdet die Wahrheits- 
erforschung in höchst bedenklicher Weise. 
IV. Die Beweistätigkeit wird heute von dem Grundsatz der Unmittelbarkeit 
beherrscht, d. h. das erkennende Gericht hat sich zu den zu erschließenden Tatsachen in die denkbar 
innigste Beziehung zu setzen, die Beweismittel, die der Wahrheitsquelle am nächsten stehen, 
unmittelbar auf seine Sinneswahrnehmung wirken zu lassen (vgl. § 249 St PO.). Ist freilich 
die unmittelbare Beweiserhebung nach den Umständen des Falles nicht möglich, so muß, ohne 
daß dem Prinzip dadurch Abbruch geschähe, mittelbare Beweiserhebung genügen (vgl. 88 260 
Abs. 1 und 3, 252 Abs. 1 StPO.). Auch kann neben der unmittelbaren Beweiserhebung 
z. B. zur Kontrolle, eine mittelbare vorgenommen werden (vgl. §§ 252 Abs. 2, 253 Abs. 1 und2, 
St PO.). 
Das Unmittelbarkeitsprinzip gilt aber nicht mit für die sächlichen Beweismittel. Weitere 
Ausnahmen vom Prinzip enthält die St PO. z. B. in 8§ 250 Abs. 2, 71, 49, 255. 
c) Die Beweismittel und ihre Benutzung. 
8 42. 
a) Im allgemeinen. 
Literatur: Beling, Die Beweisverbote usw. (1903). 
1. Beweismittess sind diejenigen Personen und Sachen, durch deren Nutzbarmachung 
für den Prozeß (sog. Beweisaufnahme oder Beweiserhebung) sich das Gericht die Kenntnis 
relevanter Tatsachen verschafft. Nicht zu ihnen gehören die Indizien, die vielmehr selber 
beweisbedürftige Tatsachen sind (vgl. oben § 40 1 2). 
II. Es gibt in der Strafprozeßordnung Sätze, die dem Gericht die Benutzung der einen 
oder anderen Art von Beweismitteln in bestimmten Fällen untersagen, sog. relative Be- 
weisverbote, vgl. §§ 250, 253 (hinsichtlich der nichtrichterlichen Vernehmungsprotokolle), 
53, 72, 76 Abs. 2, 96. Abgesehen davon stehen dem Gericht alle vorhandenen Beweismittel 
zu Gebote. 
§ 43. 
ß) Die sächlichen Beweismittel. 
Literatur: v. Weveld, Z. L. v. gerichtl. Augenschein (1877); Friedrichs Gicchr. 
Ziv.-Proz. XIX S. 390 (1894); Beling, Ztschr. f. StrH Wiss. XV S. 476 (1895); Ar 
Mayer, Augenscheinseinnahme und Durchsuchung (1911); Kreß in der Bayr. Ztschr. 
°Ryflege Bd. II S. 169, 201, 219, 238. 
I. Die einfachste Art der Beweismittel sind die Wahrnehmungsobjekte (Augen- 
scheinsobjekte) = Gegenstände der Erscheinungswelt in ihrer sinnlich wahrnehmbaren Beschaffen- 
heit. Die Erzielung dieser Wahrnehmung, es sei durch den Gesichtssinn oder einen der anderen 
Sinne, heißt technisch „Augenschein". Jeder Inhaber eines Sachgegenstandes ist ver- 
pflichtet, die Augenscheinseinnahme daran zu dulden (arg. §§ 94, 95 St PO.). Der 
Beschuldigte ist auch zur Duldung eines Augenscheins an seinem Körper verpflichtet 
(arg. § 102 St PO.). Dritte dagegen brauchen sich, mag auch häufig das Gegenteil be- 
hauptet werden, eine Augenscheinseinnahme an ihrem Leibe nicht gefallen zu lassen (arg. 
5 103 St PO.). 
f. 
t. 
f.
	        
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