Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

Strafprozeßrecht. 177 
Ungehorsam des in abstracto und in concreto Begutachtungspflichtigen zieht Kosten- 
last und Ordnungsgeldstrafe (nicht: Ordnungshaftstrafe, nicht: Zwang) nach sich (5§ 77 StPO.). 
IV. Der Gutachtereid ist immer Voreid; wenigstens erwähnt das Gesetz nirgends die 
Möglichkeit einer Nachvereidigung, ausgehend augenscheinlich davon, daß nach dem geltenden 
Beeidigungssystem die Aussetzung der Vereidigung bis nach erfolgter Vernehmung ein Miß- 
trauen involviert, Mißtrauen gegen einen Sachverständigen aber grundsätzlich dahin führen 
muß, den Sachverständigen gar nicht heranzuziehen. Der Gutachtereid ist ersetzbar durch 
Bemfung auf einen allgemeinen Sachverständigeneid, wenn der Betreffende einen solchen 
geleistet hat. 
§ 46. 
cch Die Parteien. 
Literatur: Tittmannn, UÜber Geständnis und Widerruf in Strassachen (1810); 
Schauberg, VBergleichung des Geständnisses im Kriminal= und Zivilprozeß (1869); Heinze, 
Goltd. Arch. Bd. XXIV S. 287; Derselbe, Strafproz. Erörterungen (1875) S. 23; Hen- 
schel, Die Vernehmung des Beschuldigten, Beila r: zu Gerichtssaal Bd. LXXIV (1909). — 
Bal. Rathenau, Ztschr. f. Ste# Bd. XXII S 514. 
I. Auch die Parteien sind Beweismittel, d. h. das Gericht kann seine Überzeugung von 
der Richtigkeit einer Tatsache auf die Aussage des Beschuldigten (oder des Privat= oder Neben- 
klägers) stützen, mag diese Aussage zuungunsten des Aussagenden lauten (sog. Geständnis) oder 
zu seinen Gunsten. 
II. Der zur sog. verantwortlichen Vernehmung schriftlich geladene Beschuldigte ist ver- 
pflichtet, zu erscheinen. Bei Ausbleiben erfolgt Vorführung (Ss 133—134). Dagegen besteht 
keine Verpflichtung des Beschuldigten zur Aussage sehr charakteristisch § 136 Abs. 1 Satz 2 
St PO.: der Beschuldigte ist zu befragen, „o b“ er etwas auf die Beschuldigung erwidern wolle, 
nicht: „was“ er erwidern wolle. Im Zusammenhang damit ist auch das „artikulierte Verhör“ 
des gemeinen Strafprozesses weggefallen, in dem der ingquisitionelle Charakter des letzteren 
seinen deutlichsten Ausdruck fand. 
Parteieid ist im Strafprozeß heute, wenigstens bei uns, ausgeschlossen. Die eigentüm- 
liche englische Institution der zeugeneidlichen Vernehmung des Angeklagten ist unserer Auf- 
fassung gänzlich fremd und wird es jedenfalls stets bleiben. 
8 47. 
d) Die Beweiswürdigungund die Konsequenzen der Beweisfrage- 
beantwortung. 
Literatur: v. Savigny, Die Prinzipienfragen in Beziehung auf eine neue St-. 
(1846), auch Goltd. Arch. Bd. VI S. 481; v. Sch warze, Goltd. Arch. Bd. VI S. 721; Schaper, 
Goltd. Arch. Bd. XIV S. 180, 245; v. Bar, Recht und Beweis im Geschworenengericht (1865); 
MWeißner,, Zum Prinzip der freien Beweiswürdigung, in der Festschrift für v. Liszt von Schülern 
usw. (1911); Lohsing, Das Geständnis im Strafverfahren, in Jurist.-psychiatr. Grenzfragen 
Bd. III (1905); Stöhr, Psychologie der Aussage (1911); Sello, Die Irrtümer der Straf- 
jzustiz und ihre Ursachen (1911); Spohr, Das Beweisinteresse in Strafsachen (1894). 
I. Im Gegensatz zu den sog. gesetzlichen Beweisregeln des gemeinen Prozeßrechts gilt 
heute der Grundsatz der freien Beweiswürdigung.: das Ergebnis der Beweis- 
aufnahme stellt das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriffe der Verhandlung ge- 
schöpften Uberzeugung fest (s5 260 St PO.). Und zwar unterliegen alle Arten von Beweis- 
mitteln dieser freien Würdigung. Geschworene Eide sind keine Nötigung zum Fürwahrhalten; 
Unbeeidigtsein einer Aussage ist kein Hindernis des Fürwahrhaltens (immer unter der Voraus- 
setzung, daß eine dem Gesetz entsprechende Vereidigung bzw. Nichtvereidigung vorlag). Für 
das Geständnis wird bisweilen gelehrt, es könne ihm nur dann geglaubt werden, wenn es 
durch mindestens ein weiteres Beweismittel unterstützt werde. Aber § 260 gibt dem Richter 
auch dem Geständnis gegenüber volle Würdigungsfreiheit; der Richter kann dem Geständnis 
ebensosehr trauen wie mißtrauen, er braucht weder für seinen Glauben noch für seine Ungläubig- 
keit andere Beweismittel als Stlütze. 
Enzoklopädie der Rechtswissenschaft. 7. der Kenbearb. 2. Aufl. Band V. 12
	        
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