194 Ernst Beling.
mit völliger Freiheit genau wie die erste Instanz. Nova finden gleichviel, ob von den Parteien
angeführt oder nicht, unbeschränkte Berücksichtigung (5 364 St PO.). In der berufungsinstanz-
lichen Hauptverhandlung werden die Ergebnisse des bisherigen Verfahrens durch ein Mitglied
des Gerichts als Berichterstatter vorgetragen. Die Beweisaufnahme folgt im allgemeinen den
die erstinstanzliche Beweisaufnahme beherrschenden Sätzen; jedoch kann in Abweichung vom
Unmittelbarkeitsprinzip die Aussage eines Zeugen oder Sachverständigen durch Verlesung
seiner in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung protokollierten Aussage ersetzt werden, wenn.
nicht neue Ladung erfolgt oder beantragt ist. Beim Schlußvortrag hat den Vortritt der Be-
schwerdeführer (F§# 365—367 St PO.).
IV. Die Entscheidung des Berufungsgerichts lautet:
1. wenn die Berufungsvoraussetzungen nicht gewahrt sind, auf Verwerfung der Berufung
als unzulässig durch Beschluß (nach anderer Meinung durch Urteil);
2. wenn die Berufung zulässig ist, aber die Berufungsinstanz zu demselben Ergebnis gelangt,
wie die erste Instanz: auf Verwerfung der Berufung als unbegründet durch Urteil;
3. wenn die Berufung zulässig ist und das Berufungsgericht zu einem anderen Ergebnis
als das Untergericht gelangt: auf Aufhebung des Vorderurteils und regelmäßig eigene neue
Entscheidung (ausnahmsweise fakultative Zurückverweisung in die Vorinstanz) durch Urteil
(&& 363, 369 St PO.).
Zu beachten ist das Verbot der reformatio in peius (s 372 St PO.; vgl. aber § 343).
Oben §# 37 I.
V. Ausbleiben des Angeklagten in der Hauptverhandlung zieht, wenn er es war, der
die Berufung eingelegt hatte, sofortige Verwerfung dieses seines Rechtsmittels in oontumaciam
nach sich. War die Berufung von der Staatsanwaltschaft eingelegt, so wird gegen den aus-
gebliebenen Angeklagten in absentia, aber regelrecht, verhandelt oder die Vorführung oder
Berhaftung des Angeklagten angeordnet (s 370 St PO.).
8 66.
b) Revisionsverfahren.
Literatur: San##s Das Rechtsmittel der Revision (1881); K. Schmidt, Der s 380
St. P. O. (1885); S. Löwenstein, Einlegung und Begründung der Revision (1900); Fried-
ländert Ar f. öffentl. R. Bd. XIII S. 132 (l998); Beling, Revision wegen Ber-
Esng. einer Rechtsnorm Über das Verfahren im Strafprozeß, in der Festschrift für Binding,
(1911.
I. Die Revision (nach früherer Terminologie Nichtigkeitsbeschwerde) ist gegeben gegen
Urteile der Strafkammern (erstinstanzliche wie zweitinstanzliche) und der Schwurgerichte (§ 374
St PO.).
II. Die Revision ist ein beschränktes Rechtsmittel: mittels Revision läßt sich nicht be-
mängeln, daß die dem Urteilssyllogismus als tatsächliche Urteilsbasis angehörenden Tatsachen-
feststellungen des angefochtenen Urteils unrichtig seien, vielmehr nur gerügt werden, daß
1. (innerer Urteilsverstoß) der Inhalt des untergerichtlichen Urteils an einem Rechts-
irrtum leide, sog. materiellrechtliche Rüge; oder
2. (außerer Urteilsverstoß) das Urteil vermittels eines Prozeßverstoßes gewonnen, also
trotz Fehlens einer Urteilsvoroussetzung gefällt oder trotz Fehlens einer Urteilsqualitätsvoraus-
setzung so wie geschehen gefällt worden sei, sog. Prozeßrüge.
Richtet sich die Revision gegen ein berufungsgerichtliches Strafkammerurteil, so ist sie (ver-
fehlterweise) noch mehr eingeengt: Prozeßrügen sind dann, mit Ausnahme nur der Rügen aus
398, ausgeschlossen. § 380 St PO.
Im Gebrauch des Rechtsmittels ist die Staatsanwaltschaft stark eingeengt: sie kann einmal
die Verletzung von Rechtsnormen, die lediglich zugunsten des Angeklagten gegeben sind, nicht
zum Behufe einer dem Angeklagten nachteiligen Aufhebung des Urteils geltend machen (§ 378);
und sie hat gegenüber einem auf einem ordnungsmäßig zustande gekommenen Verdikt beruhenden
Schwurgerichtsurteil die Revision nur insoweit, als sie die gesetzwidrige Stellung oder Nicht-