Strafprozeßrecht. 195
stellung von Fragen rügt oder einen der in § 3771, 2, 8, 6 StPO. aufgeführten absoluten
Revisionsgründe (unten V. geltend macht (§ 379).
III. Zu den Revisionsvoraussetzungen gehören außer frist- und formgerechter Einlegung
die Revisionsanträge, d. h. die Rechtfertigung des Rechtsmittels durch Angabe des begangenen
Verstoßes, und zwar bei Prozeßrügen durch spezialisierte Angabe, während bei materiell-
rechtlicher Rüge die Angabe genügt, daß der Urteilsinhalt rechtsirrig sei (ISs 381—385 St PO.).
IV. Die Hauptverhandlung vor dem Revisionsgericht charakterisiert sich besonders durch
das Fehlen einer Beweisaufnahme im technischen Sinne: die tatsächliche Urteilsbasis des Vorder-
urteils bleibt für das Revisionsgericht bindend, soweit sie nicht durch einen gerügten Prozeßverstoß
gewonnen ist, und sinkt, wenn letzteres der Fall ist, derart zusammen, daß sie, falls Kausalzusammen-
hang vorliegt (unten VI), auf Grund einer Zurückverweisung von der Vorinstanz von neuem
aufzubauen ist. Nova können hinsichtlich der Urteilsbasis in der Revisionsinstanz nicht eingeführt
werden. Dagegen hat das Revisionsgericht alle für einen gerügten Prozeßverstoß relevanten
Tatsachen festzustellen (Feststellungsfreiheit, kein eigentliches Beweisrecht; vgl. oben §& 39).
Eingeleitet wird die Hauptverhandlung durch den Vortrag des ernannten Berichterstatters,
woran sich die Plaidoyers der Parteien, soweit sie erschienen sind — der Anwesenheit des An-
geklagten bedarf es nicht —, anschließen (S# 390, 391 St PO.).
V. Das Revisionsgericht hat die Sache nicht in vollem Umfange nachzuprüfen (§392 St PO.).
1. Ist die Revision auf eine Prozeßrüge gestützt, so kann das Revisionsgericht lediglich
den speziell gerügten Verstoß nachprüfen.
2. Ist die Revision auf sog. materiellrechtliche Rüge gestützt, so ist zu prüfen, ob
irgendeine — vom Beschwerdeführer gerügte oder nicht gerügte — Verletzung eines für
den Urteilssyllogismus bedeutsamen Rechtssatzes erkennbar ist.
VI. Der Revisionsangriff ist erfolgreich, wenn sich bei der vorstehend geschilderten Prllfung
wurklich eine Verletzung ergibt un d das untergerichtliche Urteil als auf dieser beruhend erkannt
wird (Kausalzusammenhang zwischen dem Verstoß und dem Urteil). Es bedarf aber dabei
nur der Möglichkeit einer Verletzung oder eines Kausalzusammenhangs. So mit Recht
die herrschende Meinung und die ständige Praxis des Reichsgerichts. Denn eine auch nur
möglicherweise gesetzwidrige Entscheidung ist nicht existenzberechtigt.
Ganz ohne Rücksicht auf den Nachweis eines Kausfalzusammenhangs greifen die sog.
absoluten Revisionsgründe (§ 377 St PO.) durch (Mängel im Richterpersonal; Unzuständigkeit;
Fehlen einer notwendigen Person in der Hauptverhandlung; Verletzung des Offentlichkeits-
grundsatzes; Fehlen von Entscheidungsgründen; unzulässige Beschränkung der Verteidigung).
VII. Für die Abstimmung des Revisionsgerichts kann logischerweise nichts anderes gelten
als für die Abstimmung im allgemeinen. Somit ist stets die zu treffende Entscheidung totaliter
zur Abstimmung zu bringen, es wird darüber abgestimmt, ob das Vorderurteil aufgehoben
werden soll oder nicht, und nicht darüber, ob der eine oder andere Aufhebungs-
gumd vorliege. Nimmt ein Teil der Richter Durchgreifen der Rüge Nr. 1 an, ein zweiter
Durchgreifen der Rüge Nr. 2, ein dritter Durchgreifen der Rüge Nr. 3, so ist das Vorderurteil
aufzuheben, wiewohl für keinen der Aufhebungsgründe, für sich allein betrachtet, eine Moajorität
vorhanden ist. Demnach kommt es auch im Revisionsgericht so wenig wie anderwärts zu einer
Abstimmung über die abstrakte Rechtsfrage.
Selbstverständlich ist, das das Revisionsgericht nicht anders als die Gerichte erster Instanz
Entscheidungen, die die Schuldfrage in einer dem Angeklagten nachteiligen Weise beantworten,
nur mit Zweidrittelmajorität fällen kann (s 262 St PO.).
VIII. Die Entscheidung des Revisionsgerichts lautet auf
1. Verwerfung der Revision als unzulässig durch Beschluß (nach anderer Meinung Urteil),
wenn die Revisionsvoraussetzungen fehlen (§ 389 St PO.);
2. Verwerfung der Revision als unbegründet durch Urteil, wenn die Revision zulässig,
aber grundlos ist.
Hierher gehören folgende Fälle: a) Es ist ein Verstoß überhaupt nicht erkennbar; b) der
Verstoß kann vom Revisionsgericht nicht berücksichtigt werden (z. B. der Beschwerdeführer hat
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