Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

196 Ernst Beling. 
lediglich — in unbegründeter Weise — einen Prozeßverstoß gerügt, während eine Rüge aus dem 
materiellen Recht begründet sein würde, aber nicht angebracht worden ist; oder der BVerstoß 
liegt an einer anderen Stelle des Verfahrens als da, wo die Prozeßrüge einsetzt); c) der Verstoß 
erweist sich als unschädlich für das Urteil — mangelnder Kausalzusammenhang —, abgesehen 
natürlich von den absoluten Revisionsgründen. 
3. Ist die Revision dagegen zulässig und begründet, so erfolgt Aufhebung des Vorder- 
urteils und regelmäßig Zurückverweisung der Sache in die Vorinstanz (ausnahmsweise eigene 
prozeßerledigende Entscheidung des Revisionsgerichts): I## 393—397 St PO. Im Falle der 
Zurückverweisung ist für die neue untergerichtliche Entscheidung die Rechtsauffassung des zurücck- 
verweisenden revisionsgerichtlichen Urteils bindend (5 398 Abs. 1 St PO.) und reformatio in 
peius verboten (§ 398 Abs. 2). 
Die tatsächlichen Unterlagen, auf denen sich die neue untergerichtliche Entscheidung auf- 
baut, können je nach Inhalt des revisionsgerichtlichen Urteils verschieden sein. Es ist nämlich 
einmal möglich, daß die Zurückverweisung unter Aufrechterhaltung der bisherigen tatsächlichen 
Feststellungen erfolgt; dies dann, wenn der Fehler, um dessen willen das Vorderurteil vom 
Revisionsgericht aufgehoben worden ist, die tatsächlichen Feststellungen unberührt läßt. In 
diesem Falle hat das Untergericht seiner neuen Entscheidung diese früher getroffenen tatsäch- 
lichen Feststellungen ohne neue Beweisaufnahme zugrunde zu legen. Berührte dagegen der 
vorgekommene Fehler, was die Regel ist, auch die Tatsachenfeststellung, und ist demgemäß 
diese von der Aufhebung durch das Revisionsgericht mitbetroffen worden, so muß in der er- 
neuerten Hauptverhandlung natürlich durch abermalige Vollbeweisaufnahme die tatsächliche Basis 
für das nunmehr zu fällende Urteil geschaffen werden. 
§ 66. III. Wiederaufnahme des Verfahrens. 
Literatur: Goltdammer in seinem Archiv Bd. VI S. 515; Remeis, Die Wieder- 
aufnahme im Strafverfahren (1864); v. Kries, Goltd. Arch. Bd. XXVI S. 169 ff.; Dalcke, 
Goltd. Arch. Bd. XXXIV S. 81; Ditzen, Gerichtssaal Bd. XLVII S. 126, Ztschr. f. StrK W. 
Bd. XVIII S. 53; Rosenblatt, Gerichtssaal Bd. LIII S. 450, Ztschr. f. StrK W. Bd. XXIII 
580; West, Ztschr. f. StrKh W. Bd. XVI S. 247, Gerichtssaal Bd. LVI S. 180, LXI S. 147; 
Woermann, Das Wiederaufnahmeverfahren und die Entschädigung unschuldig Verurteilter (1899). 
I. Die Wiederaufnahme des Verfahrens ist ein Rechtsbehelf, der auf die ausnahmsweise 
Beseitigung eines rechtskräftigen uUrteils abzielt (im Sinne der St PO. also kein „Rechts- 
mittel“, früher als „außerordentliches Rechtsmittel“ bezeichnet). 
Die Wiederaufnahme durchbricht also die res judicata. Ihrem Wesen nach steht sie in 
direktestem Gegensatz zur Revision: es handelt sich bei ihr niemals um Rechtsrügen, sondern 
stets um Geltendmachung neuer Tatsachen. Die Gesetzgebungen sind regelmäßig bei der 
Zulassung dieses Rechtsbehelfs sehr zurückhaltend, um die Autorität des res judicata nicht zu 
erschüttern. In gewissem Umfange freilich konnte sich der Gesetzgeber dem Postulat einer 
Hintansetzung der Rechtskraft nicht entziehen, da er nicht flagrante Ungerechtigkeiten, die sich 
nach der Rechtskraft enthüllen, durch die Autorität des Gesetzes stützen soll (oben § 33 II a. E.). 
II. Die Wiederaufnahmegründe der St PO. belaufen sich auf fünf im Falle der „günstigen 
Wiederaufnahme“ (§ 399), auf vier im Falle der „ungünstigen Wiederaufnahme“ (5§ 402). 
Die Aufzählung dieser Gründe in Is 399, 402 ist natürlich limitativ gemeint. Dabei muß es 
sich stets darum handeln, das Urteil in Ansehung des angewandten Strafgesetzes selbst aus den 
Angeln zu heben; bei gleichbleibendem Strafgesetz lediglich eine Anderung der Strafe im Wieder- 
aufnahmewege herbeiführen zu wollen, geht nicht an (§s§ 403 St PO.). 
Die Wiederaufnahmegründe im einzelnen sind folgende: 
1. Die günstige Wiederaufnahme findet statt: 
a) wenn eine in der Hauptverhandlung zuungunsten des Angeklagten als echt vor- 
gebrachte Urkunde fälschlich angefertigt oder verfälscht war; 
b) wenn durch Beeidigung eines zuungunsten des Angeklagten abgelegten Zeugnisses 
oder abgegebenen Gutachtens der Zeuge oder Sachverständige sich einer vorsätz- 
lichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat:
	        
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