202 Ernst Beling.
Wird dagegen Einspruch eingelegt, so kommt es zur Hauptverhandlung; der Strafbefehl
verwandelt sich alsdann gewissermaßen in einen Eröffnungsbeschluß. Die Hauptverhandlung
gestaltet sich im allgemeinen so, wie wenn kein Strafbefehl, sondern ein regulärer Eröffnungs-
beschluß vorangegangen wäre (namentlich ist das Gericht bei der Urteilsfällung an den in dem
Strafbefehl enthaltenen Ausspruch nicht gebunden) jedoch ist der Angeklagte befugt, sich durch
einen Verteidiger vertreten zu lassen, und andererseits ist er, wenn er nicht selber erscheint, genötigt,
sich vertreten zu lassen, weil sonst der Einspruch ohne Eingehen auf die Sache selbst verworfen wird.
Ad 2. Die Partikulargesetzgebungen sind durch § 6 ESt PO., 5 453 St PO. ermächtigt,
den Polizeibehörden in Ubertretungsfällen (nicht Vergehens- oder Verbrechensfällen) die
Festsetzung von Strafen bis zwei Wochen Haft oder Geldstrafe (bis 150 Mk.) sowie Einziehung
zuzuweisen. Gebrauch gemacht haben von dieser Befugnis z. B. Preußen, Württemberg und
Sachsen, nicht Bayern und Hessen.
Die polizeiliche Strafverfügung wird, wenn gegen sie ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung
nicht angebracht wird, vollstreckbar; der materiellen Rechtskraft aber bleibt sie unteilhaftig.
Trägt der Beschuldigte dagegen auf gerichtliche Entscheidung an, so wird zur Hauptverhandlung
geschritten, in der sich der Angeklagte durch einen Verteidiger vertreten lassen darf. Das Urteil
folgt den gewöhnlichen Regeln. Eigentümlichkeiten weist nur der Fall auf, daß nach Auffassung
des erkennenden Gerichts die juristische Qualifikation der Tat eine polizeiliche Strafverfügung
nicht zuließ; hier ist lediglich auf Aufhebung der Strafverfügung zu erkennen, und das weitere
einem auf Klage neu anhängig zu machenden Verfahren zu überlassen, StPO. § 458.
Ad 3. Bei „Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher
Abgaben und Gefälle“ kann ein auf Geldstrafe lautender Strafbescheid erlassen werden, insoweit
das Landesrecht auf Grund des § 6 ESt PO. die Verwaltungsbehörde dazu ermächtigt hat.
Ein Strafbescheid, gegen den der Beschuldigte nicht auf gerichtliche Entscheidung angetragen
hat, ist vollstreckbar, jedoch der materiellen Rechtskraft so wenig fähig wie die polizeiliche Straf-
verfügung. Ist die im Strafbescheid festgesetzte Geldstrafe nicht beitreibbar, so erfolgt Sub-
stituierung der an ihre Stelle zu setzenden Freiheitsstrafe in einem gerichtlichen Anhangsverfahren,
St PO. 463.
Wird dagegen ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegenüber dem Strafbescheid gestellt,
so findet eine Hauptverhandlung statt, die den gewöhnlichen Regeln folgt. Anders als im
Verfahren nach polizeilicher Strafverfügung untersteht hier der Prozeßgegenstand voll der
Kognition des Gerichts (also auch wenn sich herausstellt, daß die Tat gar nicht strafbescheids-
fähig ist, ergeht doch Sachurteil).
8§ 72. III. Verwaltungsstrafklage und Verwaltungsnebenklage.
Literatur: Die zu § 71 angegebenen Schriften von Arndt, Löbe, Bonnenberg,
Merkel, Hvenstein, Katzenstein sowie die Literatur zu ## 60.
I. In Zoll= und Steuersachen kann die Verwaltungsbehörde, wenn die Staatsanwalt-
schaft es ablehnt, die Klage zu erheben, selbst bei Gericht anklagend vorgehen; das Verfahren
gestaltet sich dann nach dem Vorbild des Privatklageverfahrens (§I#§# 464—466 St PO.).
II. In Zoll= und Steuersachen, in denen die Staatsanwaltschaft die Klage erhoben hat
oder ein Strafbescheid erlassen war und der Beschuldigte auf gerichtliche Entscheidung ange-
tragen hat, kann die Verwaltungsbehörde in nebenklägerischer Funktion der Staatsanwaltschaft
an die Seite treten (5 467 St PO.). Sie ist alsdann Nebenorgan des Staates als Klägers.
8 73. IV. Absenzverfahren.
Siteratur: u% Meye 550 Strafverfahren gegen Abwesende (1869); Ortloff,
Goltd. Arch. Bd. 9# 492.
I. In ganz geringfügigen Sunfsaßen nämlich wenn die den Gegenstand der Unter-
suchung bildende Tat nur mit Geldstrafe und Einziehung oder einem von beiden bedroht ist,
kann gegen einen Abwesenden nach vorgängiger öffentlicher Ladung ein Hauptverfahren samt
Hauptverhandlung (sowie Kosten-- und Geldstrafvollstreckungssicherung) stattfinden (5§5S 318 bis
326 St PO.) in schwereren Sachen ist gegen den Abwesenden dagegen nur ein Beweissicherungs-