Militärstrafrecht und Militärstrafverfahren. 221
mungen des Strafgesetzes angesehen, der Irrtum sonach zum Rechtsirrtum erklärt (Irrtum
über Vorgesetzteneigenschaft, über das Vorliegen einer Diensthandlung, eines Befehls in Dienst-
sachen usw.; vgl. 1, 199, 3, 28, 5, 152, 300, 6, 271, 8, 84, 140, 11, 250, 12, 18, 57, 13, 12;
anders aber 5, 34, 6, 107, 9, 241, 14, 90, 278). Eine neuere Auffassung kommt in 14, 278 zum
Vorschein. Ein rein militärstrafrechtliches Ergebnis wird durch die Anerkennung des Satzes
exzielt, daß der Soldat sich auf die ihm zuteil gewordene dienstliche Belehrung (in der Instruktions-
stunde) verlassen darf (2, 244, 7, 94, 248, 12, 241). Hier kommt der richtige Gedanke, daß
der Täter die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens (bei falscher Belehrung) nicht erkennen konnte,
siegreich zum Durchbruch. Da nun die falsch verstandene Belehrung notwendig
den gleichen Schutz verdient, kommt man zu dem die herrschende Irrtumslehre beleuchtenden
Ergebnis: wer ohne Belehrung über strafrechtliche Normen (oder solche, die es sein sollen) ge-
handelt hat, haftet (Rechtsirrtum); wer trotz richtiger Belehrung aus Mißverständnis oder
falscher Auffassung der Belehrung über strafrechtliche Normen falsch gehandelt hat, haftet nicht
(Tatirrtum).
5) Der Befehl. Von großer Bedeutung ist § 47, der die Verantwortlichkeit des
Vorgesetzten bei Befehlen in Dienstsachen und die des Untergebenen bei der Be-
folgung regelt. Ob der vielfach im M. vorkommende Ausdruck Dienstbefehl dasselbe bedeutet,
ist bestritten; die herrschende Lehre bejaht (RM. 1, 105, 2, 74, 7, 178) und für den Bereich
des M. mag es auch zutreffen; doch ist eine neuere Lehre sehr beachtenswert, die in jedem in
dienstlicher Form ergangenen Befehle, ohne Rücksicht auf seinen Inhalt, einen Dienstbefehl
sieht; danach kann ein Dienstbefehl auch Befehl in Dienstsachen sein. Einen blinden Sol-
datengehorsam kennt das M. nicht. Wird durch die Ausführung eines Befehls in Dienst-
sachen ein Strafgesetz verletzt, so ist dafür nach § 47 der befehlende Vorgesetzte allein verant-
wortlich; den gehorchenden Untergebenen soll aber die Strafe des Teilnehmers treffen, wenn
er den erteilten Befehl überschritten hat, oder wenn ihm bekannt gewesen ist, daß der Befehl
eine Handlung betraf, die ein bürgerliches oder militärisches Vergehen bezweckte. An diese
Vorschrift knüpfen sich viele Streitfragen .
Man wird grundsätzlich anzunehmen haben: Befehle, die Dienstsachen nicht betreffen,
erzeugen keine Gehorsamspflicht; die Nichtbefolgung ist auch disziplinär straflos. Nur rechtmäßige
Befehle in Dienstsachen sind verbindlich; die Prüfung der Rechtmäßigkeit geht aber auf Gefahr
des Untergebenen, ebenso die Frage, ob ein Befehl in Dienstsachen vorliege (objektive Voraus-
setzungen der Strafbarkeit, RM. 14, 85, 7, 176, 8, 143, 290). Betrifft der Befehl in Dienst-
sachen eine Ubertretung, so bleibt der gehorchende Untergebene straffrei, was aber nicht berechtigt,
anzunehmen, daß das Gesetz die Folgepflicht aufstelle. Betrifft der Befehl in Dienstsachen
ein Verbrechen oder Vergehen, und wußte der Untergebene, daß der Befehl von dem Vorgesetzten
im Bewußtsein seiner Strafbarkeit gegeben war, so darf er ihn nicht befolgen (andernfalls
regelmäßig Selbsttäter, der Vorgesetzte Anstifter). Sein Irrtum oder Zweifel hierüber aber
entschuldigen ihn, wenn er den Befehl ausführte (Vorgesetzter: mittelbarer Täter).
UÜber unrichtige dienstliche Belehrung s. vorstehend unter #c. — Vgl. § 92 f. (Ungehorsam
gegen Befehle in Dienstsachen) und 114 f. (Mißbrauch der Dienstgewalt), 115, erörtert B#3ce
Für die Gehorsamspflicht und die Verantwortlichkeit der Militärbeamten gilt das Beamtenrecht
(auch im Kriege trotz § 153 s. oben A V 1c); für das Gebiet der Rechtspflege vgl. § 97, 102
MSt#O., dazu Taschenb. MilR. f. Kriegszeiten Anl. IV das.
II. Die Strafe.
Wie im St GB. werden auch im M. Haupt= und Nebenstrafen unterschieden.
1. Hauptstrafen.
Bei gemeinen Straftaten gilt das gemeine Strafensystem, nur durchbrochen durch § 29 M.;
danach darf, wenn das gemeine Strafgesetz Geld= oder Freiheitsstrafe wahlweise androht, auf
1 Lit. bei M. E. Mayer, Der rechtswibrige Befehl des Vorgesetzten (in der Festschrift
für Laband), Tübingen 1908; Rissom, Der rechtswidrige Befehl in „Militärrechtliche Studien“