Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

228 Heinrich Dietz. 
gegenüber Mannschaften und Unterossizieren zuzugestehen sein (Erhard, Arch. Mil. 4 202). 
Militärbeamte sind sonst nicht Vorgesetzte im Sinne des M. und nur vereinzelt als Rang- 
höhere (§§ 91, 112) strafrechtlich geschützt. 
I. Strafbare Handlungen gegen die Pflichten der Unterordmmg. 
1. Die Achtungsverletzung (7 89). Sie ist vorsätzliche Verletzung der dem Vor- 
gesetzten schuldigen Achtung im Dienst oder in Beziehung auf eine Diensthandlung des Vor- 
gesetzten. Jede andere Achtungsverletzung ist Disziplinarübertretung. § 89, 1 ist Disziplinar- 
vergehen (s. Disziplinarstrafrecht); 89, 2: schwere Achtungsverletzung. 
2. Eine Achtungsverletzung besonderer Art ist das Belügen des Vorgesetzten 
auf Befragen in dienstlichen Angelegenheiten (§ 90, Disziplinarvergehen). Die Lüge des Be- 
schuldigten im Strafverfahren fällt nicht darunter; vgl. oben B III 5 b. 
3. Eine gesteigerte Achtungsverletzung ist die Beleidigung Vorgesetzter 
(der im Dienstrange Höhere wird mit geschützt), § 90 (Abs. 1: Disziplinarvergehen). Der Tat- 
bestand der einfachen Beleidigung, der der üblen Nachrede (Wahrheitsbeweis zulässig) und 
der verläumderischen Beleidigung ist aus dem gemeinen Strafrecht übernommen. Straf- 
erhöhungsgründe bringt Abs. 2 (im Dienst usw.). Als strafbare Handlung gegen die Disziplin 
als Rechtsgut der Allgemeinheit läßt die BV. (auch die Untergebener; vgl. unter II nachf.) die 
Anwendbarkeit der Vorschriften über Buße, Aufrechnung und Veröffentlichungsbefugnis (5§ 188, 
199, 200 StGB.; wegen Strafantrags s. B III 1) nicht zu. Dagegen ist § 199 StGBB. (nach 
zahlreichen Entscheidungen des RMG. wenigstens in seinen Grundsätzen) voll anwendbar. 
4. Ungehorsam gegen einen Befehl in Dienstsachen (vgl. oben B l 4b D), 5 92 
(Disziplinarvergehen) 1; Straferhöhungsgründe bringt § 93 (Verursachung eines erheblichen 
Nachteils oder der Gefahr eines erheblichen Nachteils); vgl. S§ 94, 95 (ausdrückliche Gehorsams- 
verweigerung, Beharren im Ungehorsam). Auf die bedeutsame Streitfrage, ob der Ungehorsam 
nach 92, 93 fahrlässig begangen werden kann, ist unter B 1 2 b schon hingewiesen (zu vermeinen). — 
Als wissenschaftlich verfehlt wird man die der Begründung zu § 92 angepaßte herrschende Lehre 
(RMG. b6, 3, 8, 227, 10, 41) ansehen müssen, wonach Befehle in Dienstsachen auch die allge- 
meinen Dienstvorschriften, Erlasse usw. sind, sofern sie nur für bestimmte Fälle ein bestimmtes 
Gebot oder Verbot aufstellen. Solchen allgemeinen Erlassen fehlt das dem Ungehorsam eigene 
persönliche Moment, das Herrschaftsgebiet des Ungehorsams als einer Autoritätsverletzung 
ist damit in wenig glücklicher Weise durch einen Eingriff in das Disziplinargebiet, ebenso wie 
durch die Lehre vom fahrlässigen Ungehorsam, erweitert. — Den Ubergang vom Disziplinar- 
strafrecht in das Kriminalstrafrecht vermittelt § 92 insoweit, als der Disziplinarvorgesetzte durch 
besondere Befehlserteilung in der Lage ist, rein disziplinäre Tatbestände zu strafrechtlich bedeut- 
samen zu machen und damit neben der höheren gerichtlichen Freiheitsstrafe Strafmittel der 
reinigenden Disziplin (§ 38 M., Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes) sicher- 
zustellen; vgl. Militärisches Disziplinarstrafrecht Ziff. 3 II b. 
5. Tätlichkeit gegen einen Vorgesetzten, auch das Unternehmen eines 
tätlichen Angriffs bedroht § 97, Widersetzlichkeit 96 mit empfindlicher Strafe. — 
Einen Strafmilderungsgrund bei den bisher unter 1 bis 5 genannten Handlungen gibt § 98 
ab (Hingerissensein (rein innerer seelischer Vorgang RM. 16, 1183 infolge Reizung durch 
herausfordernde Handlungen des Vorgesetzten). 
6. Die militärische Meuterei wird nach § 103, 105, der militärische Aufruhr nach 
* 106—110 bestraft. Strafmilderung: 110 a (Ges. v. 8. 8. 1913). Die tätige Reue ist beachtet. 
Streitfrage: ob zur Zusammenrottung beim Aufruhr schon zwei Personen genügen; bejahend 
die herrschende Lehre. 
7. Die Herausforderung eines Vorgesetzten zum Zweikampfe 
aus dienstlicher Veranlassung und die Annahme des Zweikampfes stellt § 112 unter Strafe 
(Sondergesetz gegenüber § 201 f. StGB., ausgenommen 207 und 210). 
II. Die strafbaren Handlungen gegen die Pflichten der Überordunung sind unter der 
lberschrift „Mißbrauch der Dienstgewalt“ im siebenten Abschnitt §s§ 114—126 zusammengefaßt, 
Zur Ungehorsamslehre s. besonders M. E. Mayer, Mil Strafr. und DJg. 12, 85; Rissom, 
Arch MilR. 2, 7 und 97 und im Hand#w Mil.
	        
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