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gegenüber Mannschaften und Unterossizieren zuzugestehen sein (Erhard, Arch. Mil. 4 202).
Militärbeamte sind sonst nicht Vorgesetzte im Sinne des M. und nur vereinzelt als Rang-
höhere (§§ 91, 112) strafrechtlich geschützt.
I. Strafbare Handlungen gegen die Pflichten der Unterordmmg.
1. Die Achtungsverletzung (7 89). Sie ist vorsätzliche Verletzung der dem Vor-
gesetzten schuldigen Achtung im Dienst oder in Beziehung auf eine Diensthandlung des Vor-
gesetzten. Jede andere Achtungsverletzung ist Disziplinarübertretung. § 89, 1 ist Disziplinar-
vergehen (s. Disziplinarstrafrecht); 89, 2: schwere Achtungsverletzung.
2. Eine Achtungsverletzung besonderer Art ist das Belügen des Vorgesetzten
auf Befragen in dienstlichen Angelegenheiten (§ 90, Disziplinarvergehen). Die Lüge des Be-
schuldigten im Strafverfahren fällt nicht darunter; vgl. oben B III 5 b.
3. Eine gesteigerte Achtungsverletzung ist die Beleidigung Vorgesetzter
(der im Dienstrange Höhere wird mit geschützt), § 90 (Abs. 1: Disziplinarvergehen). Der Tat-
bestand der einfachen Beleidigung, der der üblen Nachrede (Wahrheitsbeweis zulässig) und
der verläumderischen Beleidigung ist aus dem gemeinen Strafrecht übernommen. Straf-
erhöhungsgründe bringt Abs. 2 (im Dienst usw.). Als strafbare Handlung gegen die Disziplin
als Rechtsgut der Allgemeinheit läßt die BV. (auch die Untergebener; vgl. unter II nachf.) die
Anwendbarkeit der Vorschriften über Buße, Aufrechnung und Veröffentlichungsbefugnis (5§ 188,
199, 200 StGB.; wegen Strafantrags s. B III 1) nicht zu. Dagegen ist § 199 StGBB. (nach
zahlreichen Entscheidungen des RMG. wenigstens in seinen Grundsätzen) voll anwendbar.
4. Ungehorsam gegen einen Befehl in Dienstsachen (vgl. oben B l 4b D), 5 92
(Disziplinarvergehen) 1; Straferhöhungsgründe bringt § 93 (Verursachung eines erheblichen
Nachteils oder der Gefahr eines erheblichen Nachteils); vgl. S§ 94, 95 (ausdrückliche Gehorsams-
verweigerung, Beharren im Ungehorsam). Auf die bedeutsame Streitfrage, ob der Ungehorsam
nach 92, 93 fahrlässig begangen werden kann, ist unter B 1 2 b schon hingewiesen (zu vermeinen). —
Als wissenschaftlich verfehlt wird man die der Begründung zu § 92 angepaßte herrschende Lehre
(RMG. b6, 3, 8, 227, 10, 41) ansehen müssen, wonach Befehle in Dienstsachen auch die allge-
meinen Dienstvorschriften, Erlasse usw. sind, sofern sie nur für bestimmte Fälle ein bestimmtes
Gebot oder Verbot aufstellen. Solchen allgemeinen Erlassen fehlt das dem Ungehorsam eigene
persönliche Moment, das Herrschaftsgebiet des Ungehorsams als einer Autoritätsverletzung
ist damit in wenig glücklicher Weise durch einen Eingriff in das Disziplinargebiet, ebenso wie
durch die Lehre vom fahrlässigen Ungehorsam, erweitert. — Den Ubergang vom Disziplinar-
strafrecht in das Kriminalstrafrecht vermittelt § 92 insoweit, als der Disziplinarvorgesetzte durch
besondere Befehlserteilung in der Lage ist, rein disziplinäre Tatbestände zu strafrechtlich bedeut-
samen zu machen und damit neben der höheren gerichtlichen Freiheitsstrafe Strafmittel der
reinigenden Disziplin (§ 38 M., Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes) sicher-
zustellen; vgl. Militärisches Disziplinarstrafrecht Ziff. 3 II b.
5. Tätlichkeit gegen einen Vorgesetzten, auch das Unternehmen eines
tätlichen Angriffs bedroht § 97, Widersetzlichkeit 96 mit empfindlicher Strafe. —
Einen Strafmilderungsgrund bei den bisher unter 1 bis 5 genannten Handlungen gibt § 98
ab (Hingerissensein (rein innerer seelischer Vorgang RM. 16, 1183 infolge Reizung durch
herausfordernde Handlungen des Vorgesetzten).
6. Die militärische Meuterei wird nach § 103, 105, der militärische Aufruhr nach
* 106—110 bestraft. Strafmilderung: 110 a (Ges. v. 8. 8. 1913). Die tätige Reue ist beachtet.
Streitfrage: ob zur Zusammenrottung beim Aufruhr schon zwei Personen genügen; bejahend
die herrschende Lehre.
7. Die Herausforderung eines Vorgesetzten zum Zweikampfe
aus dienstlicher Veranlassung und die Annahme des Zweikampfes stellt § 112 unter Strafe
(Sondergesetz gegenüber § 201 f. StGB., ausgenommen 207 und 210).
II. Die strafbaren Handlungen gegen die Pflichten der Überordunung sind unter der
lberschrift „Mißbrauch der Dienstgewalt“ im siebenten Abschnitt §s§ 114—126 zusammengefaßt,
Zur Ungehorsamslehre s. besonders M. E. Mayer, Mil Strafr. und DJg. 12, 85; Rissom,
Arch MilR. 2, 7 und 97 und im Hand#w Mil.