236 Heinrich Dietz.
ihn körperlich verletzen oder zum Zweikampfe herausfordern oder einen Zweikampf mit ihm
ausfechten. Vorausgesetzt ist, daß eine vom Vorgesetzten während der Dienstzeit widerfahrene
Behandlung Anlaß zur Tat bildete, § 11 (außerordentlicher Militärgerichtsstand);
II. Sachlicher Umfang. Alle strafbaren Handlungen, auch die vor dem Dienst-
eintritt liegenden und die bei Beendigung des Dienstverhältnisses noch nicht geahndeten, fallen
unter die Militärstrafgerichtsbarkeit, § 6, 10.
III. Einschränkungen in persönlicher und sachlicher Hinsicht: Die Militärstraf-
gerichtsbarkeit erstreckt sich nicht
1. auf die vor dem Tage der Einberufung begangenen gemeinen Straftaten einer zum
Dienst einberufenen Person des Beurlaubtenstandes § 9, 1 (daselbst Beschränkung der bürger-
lichen Behörden in bezug auf Verhängung der Untersuchungshaft und Abhaltung der Haupt-
verhandlung während der Dienstleistung); vgl. oben 1 1;
2. auf die vor dem Diensteintritt begangenen gemeinen Straftaten einer zur Erfüllung
ihrer gesetzlichen oder freiwillig übermommenen Dienstpflicht eingestellten Militärperson, wenn sie
a) vor dem Diensteintritt wegen dieser Straftat verurteilt oder freigesprochen oder ihr
ein richterlicher Strafbefehl zugestellt war,
b) aus dem Dienst entlassen wird. Die Entlassung muß verfügt werden, wenn militäri-
scherseits angenommen wird, daß eine Freiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen un-
mittelbar oder im Falle der Umwandlung einer Geldstrafe zu erwarten ist, 5 7, vgl. 8;
dazu Heer O. 8 16 Nr. 1—3, Wehr O. J§ 82 Nr. 2;
3. auf die Zuwiderhandlungen gegen Finanz- und Polizeigesetze, Jagd- und Fischerei-
gesetze und Verordnungen dieses Inhalts, wenn die Handlung nur mit Geldstrafe und Ein-
ziehung oder mit einer dieser Strafen bedroht ist, § 2;
4. auf die Amtsverbrechen und -ergehen der nicht zum Offizierstande gehörenden Militär-
personen, wenn die Straftaten im Zivildienst begangen sind und nicht mit militärischen Straf-
taten zusammentreffen, § 3;
5. auf die gemeinen, mit militärischen nicht zusammentreffenden Straftaten, die bei Be-
endigung des die Militärstrafgerichtsbarkeit begründenden Verhältnisses noch nicht abgeurteilt
sind; doch bleibt die Militärstrafgerichtsbarkeit erhalten, wenn ihretwegen schon Anklage erhoben
(258 M.) oder eine Strafverfügung des Gerichtsherrn (349 M.) zugestellt war, § 10, 2. Be-
deutsam: PlEntsch. RMG. 14, 160; danach hat das Militärgericht durch Urteil in der Sache zu
entscheiden, auch wenn die Tat sich als ein gemeines Verbrechen darstellt, wenn nur der Gerichts-
herr in der Anklageverfügung angenommen hat, daß eine militärische Straftat vorliege oder
mit einer gemeinrechtlichen zusammentrifft. Diese Auffassung (vgl. § 328, 3965 M.) wird
mit Recht allgemein bekämpft 1; .
6. auf diejenigen, an sich der militärischen Gerichtsbarkeit unterstehenden Personen, die
vom Gerichtsherrn der bürgerlichen Gerichtsbarkeit übergeben werden: das ist zulässig, wenn
bei einer Zuwiderhandlung gegen gemeine Strafgesetze Militärpersonen als Täter, Teilnehmer,
Begünstiger oder Hehler neben bürgerlichen Personen beteiligt sind, oder wenn zwischen solchen
einer verschiedenen Gerichtsbarkeit unterstellten Personen wechselseitige Beleidigungen oder
Körperverletzungen vorgekommen sind, § 4; ferner, wenn eine zum Dienst einberufene Person
des Beurlaubtenstandes während der Dienstleistung eine ausschließlich gemeine Straftat be-
gangen hat, § 9, 2. Ergibt sich nach der Übergabe, daß die Voraussetzungen nicht zutreffen
(z. B. eine militärische Straftat war begangen worden), so wird die Übergabe (vom Falle der
rechtskräftigen Erledigung abgesehen; vgl. nachf. IV.) wirkungslos.
IV. Zuständigkeit zwischen militärischen und bürgerlichen Ge-
richten. Bürgerliche und militärische Gerichtsbarkeit laufen grundsätzlich unabhängig neben-
einander her und beeinflussen sich nur insoweit, als es gesetzlich bestimmt ist (Beisp.: §7, 2 M.,
wonach nach richtiger Auslegung der Eröffnungsbeschluß des bürgerlichen Gerichts dem militär-
1 Gerland, Der & 10 MSte., Abdruck aus der Festschr. für A. Thon, Jena 1911.
Bespr. u. weitere Lit. Arch Mil R. 3, 359 f.