Militärstrafrecht und Militärstrafverfahren. 237
gerichtlichen Urteil zugrunde zu legen ist; abweichend verlangt RMG. 2, 87, 6, 3 eine neue An-
llageverfügung des Gerichtsherrn 2).
Das läßt § 14 C. erkennen, der in unvollkommener Weise die wichtigsten Streitfragen
zu lösen sucht: Von Urteilen der beiden Gerichtsbarkeiten in derselben Sache gilt dasjenige,
das zuerst rechtskräftig war, das andere ist nichtig; es kann also auch die an sich falsche Gerichts-
barkeit recht behalten; damit ist auch der Fall gedeckt, daß lediglich die falsche Gerichtsbarkeit
eine Sache rechtskräftig abgeurteilt hat; für die andere ist dann kein Raum mehr, Abs. 1. —
Den Urteilen gleichzustellen sind gerichtsherrliche Strafverfügungen und amtsrichterliche Straf=
befehle (bestritten).
Dieser Lösung des bejahenden Zuständigkeitsstreites schließt sich die des vermeinenden (Abs. 2
und 3) an, wonach nicht mehr anfechtbare Entscheidungen der einen Gerichtsbarkeit, welche
die eigene Zuständigkeit verneinen, diese für die andere Gerichtsbarkeit begründen. Auch hier
muß von zwei unanfechtbaren Entscheidungen beider Gerichtsbarkeiten die zuerst ergangene geltens.
Ziffer 5. Der Gerichtsherr und seine Organe.
I. Der Gerichtsherr:
1. Durch die Person des Gerichtsherrn hebt sich das Militärstrafverfahren am schärfsten
vom bürgerlichen Strafverfahren ab. Der Gerichtsherr ist der Mittelpunkt des Verfahrens,
der dominus litis, der eigentliche Richter. Da seine Tätigkeit aus der Kommandogewalt fließt
(bgl. Ziff. 3), ist die Ausübung der Gerichtsbarkeit nicht nach örtlichen Grenzen, sondern im
Anschluß an läne Befehlsgewalt geregelt, § 25; besondere Bestimmungen und Ausnahmen:
88 26 31. er Verbindung und Trennung von Strassachen, persönlichen und sachlichen Zu-
sammenhang s. ös 32—35. Bei Zweifeln über die Zuständigkeit zwischen mehreren Gerichts-
herren entscheidet der gemeinsame vorgesetzte Gerichtsherr, beim Fehlen eines solchen das ge-
meinsame obere Gericht. — In Verhinderungsfällen nimmt die gerichtsherrliche Befugnis
der Stellvertreter im Kommando wahr, § 23.
2. Es werden Gerichtsherren der niederen und der höheren Gerichtsbarkeit unter-
schieden, § 19 f. Die niedere Gerichtsbarkeit fällt im Heere den Regiments- usw. und den
Bezirkskommandeuren zu, die höhere in erster Instanz den Divisionskommandeuren, in zweiter
Instanz den kommandierenden Generälen. Im Verordnungswege kann die Gerichtsbarkeit
der Befehlshaber auf bestimmte Truppenteile oder Verbände eingeschränkt oder ausgedehnt
werden, § 37 u. A. dazu.
a) Dieniedere Gerichtsbarkeit erstreckt sich nur auf Personen, die nicht Offizier-
rang haben, & 14, und umfaßt nach § 15, 1 a) die nur mit Arrest bedrohten militärischen Vergehen,
9)die Ubertretungen, ) die in § 16 Z. 1—3 genannten militärischen und gemeinen Vergehen,
sofern nach dem Ermessen des Gerichtsherrn (der niederen Gerichtsbarkeit) neben einer etwaigen
Einziehung keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen oder Geldstrafe bis zu
150 Mk., allein oder in Verbindung miteinander, zu erwarten ist. Der höheren Gerichtsbar-
keit bleiben die Fälle vorbehalten, in denen voraussichtlich eine Ehrenstrafe verhängt wird, 3 15, 2,
16, 2. Vgl. nachfolgend II 5 a.
b) Die höhere Gerichtsbarkeit erstreckt sich auf alle unter Militärstrafgerichts-
barkeit stehende Personen und umfaßt alle strafbaren Handlungen, 3 17; vgl. 32.
3. An sich wäre es folgerichtig, wenn der übergeordnete Gerichtsherr uch
in bezug auf die Handhabung der Strafrechtspflege (Ausfluß der Befehlsgewalt) dem unter-
stellten Gerichtsherrn unbeschränkte Weisungen zu erteilen berechtigt wäre; eine gesunde Rechts-
pflege würde das aber nicht vertragen. Ahnlich wie das militärische Disziplinarstrafrecht (s. d.)
von jeher die Machtbefugnis der höheren Disziplinarvorgesetzten weise beschränkt und die Selb-
ständigkeit des niederen Disziplinarvorgesetzten scharf in den Vordergrund stellt, so hat auch
die MStGO. an dem Grundsatze der Selbständigkeit des Gerichtsherrn, der schon in der Preußischen
1 Lit. unter „Eröffnung des Hauptverfahrens“ (Elsner v. Gronow) im Handw Mil.
: Lit.: Die unter C der Lit. genannten Schriften von Weigel und Schlayer, weitere
unter „Militärgerichtsbarkeit als Prozeßvoraussetzung“ (Rissom) im HandwMil.