Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

Strafrecht. 23 
dankens an den möglichen Eintritt des Erfolgs entfällt sogar die Fahrlässigkeit, wenn keine 
Pflicht zur Vorsicht verletzt wurde, d. h. wenn der Erfolg so weit außerhalb aller Wahr- 
scheinlichkeit lag, daß an seinen tatsächlichen Eintritt auch ein Durchschnittsmensch nicht gedacht 
haben würde. 
Nach der Verschiedenheit in bezug auf die Vorstellung vom Erfolg könnte man, wie es 
früher auch üblich war, zwei Arten der Fahrlässigkeit unterscheiden: bewußte Fahrlässigkeit, 
wenn an den Erfolg gar nicht gedacht, unbewußte, wenn er als möglich vorgestellt war. Aber 
diese Einteilung hat wenig Zweck, weil das Wesentlichste der Fahrlässigkeit die Vermachlässigung 
einer Pflicht ist. Darum hat das positive Recht nur hiernach unterschieden. Es verhängt einfache 
Strafe, wenn die gewöhnliche Pflicht zur Vorsicht, wie sie jeder hat, erhöhte Strafe — wenigstens 
bei einzelnen Delikten —, wenn die besondere Pflicht, welche Amt, Beruf oder Gewerbe ge- 
bietet, außer acht gelassen wurde (vgl. I§ 223, 232 St G.). 
Die fahrlässige Begehung ist bei den meisten Verbrechen denkbar, aber nur bei wenigen 
strafbar. Im allgemeinen begnügt sich das positive Recht, die vorsätzliche Verübung zu ahnden. 
Wo ausnahmsweise auch Fahrlässigkeit gestraft werden soll, muß dies unzweideutig im Gesetz 
selbst ausgesprochen sein. 
8. Die besonderen Erscheinungsformen des Verbrechens. 
Bei der Formulierung des gesetzlichen Tatbestandes pflegt der Gesetzgeber von der still- 
schweigenden Voraussetzung auszugehen, daß die Tat von einer Person begangen und 
voollendet wird. Demgemäß entstehen dann, wenn sich mehrere Personen an der Tat 
beteiligen, oder wenn diese nicht zur Vollendung führt und doch verbrecherisch bleibt, besondere 
Erscheinungsformen des Verbrechens. 
Erstes Kapitel. 
Versuch. 
§ 12. Vorbereitung, Ausführung, Unternehmung. 
Versuch ist das unvollendete Verbrechen, das deshalb keinen Abschluß fand, weil die durch 
die verbrecherische Tätigkeit angeregte Kausalkette ihren Endpunkt, den Erfolg, nicht erreichte. 
Hieraach berührt das Unterscheidungsmerkmal zwischen Versuch und Vollendung nicht die sub- 
jektive Seite des Verbrechens. Die Verschuldung ist, soweit nicht die Schuldform selbst eine 
Abweichung bedingt, beim Versuch die gleiche wie beim vollendeten Delikt. Auch bei ihm muß 
sich der mit Vorsatz handelnde Täter den Erfolg seines Tuns vorgestellt haben. Läßt man den 
dolus eventualis überhaupt genügen, muß man ihn auch hier für ausreichend erachten. Nur 
die Fahrlässigkeit ist beim Versuch ausgeschlossen, aber nur deshalb, weil sie ihrem Begriff nach 
den Eintritt des Erfolgs erfordert. 
Der Versuch wird geahndet, obwohl er keine Verletzung herbeiführt, und obwohl sonst 
gerade um deren willen Strafe verhängt wird. Man versucht dies in verschiedener Weise 
zu erklären, je nach dem objektiven oder subjektiven Standpunkt, von dem man dabei ausgeht. 
Nach der hier vertretenen objektiven Anschauung liegt der Grund nicht in der Außerung der 
verbrecherischen Absicht, sondern in der Anbahnung des Erfolgs, mit der bereits die Gefahr 
einer Rechtsverletzung hervorgerufen wird. Diese Auffassung gibt den Schlüssel zu der positiv- 
rechtlichen Behandlung des Versuchs. Bei bloßer Anbahnung, aber Nichterreichung des Er- 
folgs ist wohl eine Strafe, aber eine mildere als bei Vollendung, am Platze (vgl. § 44 StGB.). 
Ferner: da, wo die Vollendung mit geringer Strafe bedroht und die Verletzung für minder 
schwer gehalten wird, kann man im Fall des bloßen Versuchs auf die Bestrafung überhaupt 
verzichten. Das Strafgesetzbuch läßt daher den Versuch einer Übertretung straflos. Es be- 
droht schlechthin nur den Versuch von Verbrechen i. e. S. und beschränkt sich bei Vergehen auf 
die Bestrafung einzelner im Gesetz besonders herorgehobener Fälle (ungefähr 20 Delikten, 
meist Vermögensvergehen).
	        
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