Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

Militärstrafrecht und Militärstrafverfahren. 263 
Ziffer 2. Voraussetzung der Beschwerde. 
Beschweren darf sich jeder Soldat, oer glaubt, daß er Grund zur Beschwerde 
habe; es genügt vermeintliches Unrecht. Vor allem kommen: unwürdige Behandlung, 
strafbare Handlungen der Vorgesetzten und Kameraden, Verletzung oder Schädigung 
dienstlicher Gerechtsame und des berechtigten Standesbewußtseins in Betracht. Der Offizier 
und Beamte kann sich nur über Vorgesetzte (der Begriff ist jedoch im Sinne der BO. J 
erweitert), der Soldat vom Feldwebel usw. abwärts auch über Kameraden und Beamte 
beschweren. Betrifft die Beschwerde eine strafbare Handlung, so muß sie, soweit nicht diszi- 
plinäre Erledigung nach § 3 EG. MSt GB. zulässig ist und Platz greift, alsbald in das gericht- 
liche Verfahren übergeführt werden. Das Recht, strafbare Handlungen auch durch Strafanzeige 
zur Kenntnis der Vorgesetzten zu bringen, besteht aber unabhängig neben dem Beschwerderecht; 
für Mannschaften vom Feldwebel abwärts ist der Weg bei Erstattung einer Strafanzeige der- 
selbe wie bei Einreichung einer Beschwerde (AB. zu § 151 MStG.). Die sonstigen Be- 
stimmungen der BO., vor allem über einzuhaltende Fristen, fallen aber weg. Die Feststellung, 
ob eine Anzeige oder eine Beschwerde beabsichtigt sei, ist nach mehrfachen Richtungen hin von 
Bedeutung. Das militärische Leben kennt semer noch die einfache Meldung strafbarer 
Handlungen, ohne Innehaltung des Dienstwegs, selbstverständlich auch (bes. im gericht- 
lichen Strafverfahren) die — an Fristen und Formen nicht gebundene — Behauptung 
strafbarer Handlungen zum Zweck der Ausübung eines Rechts in besonderen Fällen 7 
Ziffer 3. Das Anbringen der Beschwerde. 
Gemeinschaftliche Beschwerden sind unzulässig und ohne weiteres zurückzuweisen. 
Sie gelten nicht als Beschwerden. Eine Beschwerde darf an dem Tage, an dem der 
Anlaß zu ihr gegeben ist, nicht vorgetragen werden, sondern frühestens an dem darauf- 
folgenden Tage. Die Bestimmung kreuzt sich mit der anderen, daß sich der Soldat 
niemals während oder unmittelbar nach Beendigung des Dienstes beschweren darf. Über 
Disziplinarstrafen (vgl. hierzu „Militärisches Disziplinarstrafrecht“ unter Ziff. 8) darf sich der 
Soldat frühestens am Tage nach der Verbüßung beschweren. Das Anzeigerecht bei straf- 
baren Handlungen ist an diese und an die nachfolgenden Bestimmungen nicht gebunden. 
Die Beschwerdefrist beträgt für den Soldaten 5, für den Offizier (Beamten) 3 Tage. Vor- 
sätzliche Nichtbeachtung der Frist ist Ungehorsam, fahrlässige ist Disziplinarübertretung. Vor- 
zeitige oder verspätete Beschwerde ist ausnahmsweise gestattet; die Bestimmungen darüber 
in den verschiedenen BO. sind nicht einheitlich. Grundsätzlich ist anzuerkennen, daß eine Strafe 
wegen Nichtbeachtung der Frist nur eintreten sollte, wenn die Beachtung der Frist billigerweise 
hätte verlangt werden können. 
Die Beschwerde der Mannschaften ist grundsätzlich beim Kompagnie= usw. chef anzubringen. 
Besondere Bestimmungen hierzu für Untersuchungsgefangene Arbeitssoldaten, Mannschaften 
der Bekleidungsämter, Unterärzte, Einjährigfreiwillige Arzte, Militärkrankenwärter, Unter- 
veterinäre, Einjährigfreiwillige Tierärzte, militärisch organisierte Landgendarmerie. Die Be- 
schwerde gegen den Kompagnie- usw. chef wird dem nächstältesten Offizier der Kompagnie 
usw. vorgetragen. Schriftliche Beschwerde ausnahmsweise erlaubt. Mannschaften des Be- 
urlaubtenstandes beschweren sich beim Bezirkskommandeur, erforderlichenfalls beim Bezirks- 
oder Kontrolloffizier oder Adjutanten. Die Beschwerde wird von den nächsten Disziplinar- 
vorgesetzten (d. i. in der Regel der Hauptmann usw.) entschieden oder an den zuständigen Vor- 
gesetzten weitergereicht. 
Nach BO. I trägt jedoch der Beschwerdeführer dem zur Entscheidung berufenen Vorgesetzten 
seine Beschwerde mündlich oder schriftlich unmittelbar vor. Auch hier entscheidet grundsätzlich 
der nächste mit Disziplinarstrafgewalt ausgestattete Vorgesetzte; doch werden Beschwerden über 
Vorgesetzte, die einem eigenen Truppenverbande angehören, stets vom Kommandeur oder Direktor 
1 ¼Über die Beziehungen strafbarer Handlungen zur Beschwerde hat lange Unklarheit "n— 
herrscht. Über dieses eigenartige und bedeutsame „Problem an der Schwelle des Beschwerde- 
rechts" (Rissom) s. Dietz, Beschw. Ordn., bes. S. 112—122, 169—172.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.