Strafrecht. 25
Das Reichsgericht hat die scholastische Unterscheidung der gemeinen Meinung mit Recht
verworfen, zugleich aber die Grenzen zwischen strafbarem und straflosem untauglichen Versuch
verwischt und unter übermäßiger Betonung des verbrecherischen Willens die Bestrafung jedes
untauglichen Versuchs proklamiert. Seine Ansicht, nach der selbst ein nichtschwangeres Frauen-
zimmer, das harmlose Mittel zur Beseitigung der vermeintlichen Schwangerschaft anwendet,
Strafe verdient, hat die nachhaltigste Bekämpfung in der Doktrin erfahren, leider bis jetzt ohne
den gewünschten Erfolg.
Um einen festen Ausgangspunkt zu gewinnen, pflegt man auf die ratio legis für die Be-
strafung des Versuchs überhaupt zurückzugehen. Dies verdient gewiß Billigung. Alsdann
ist nach der objektiven Theorie die Gefährlichkeit zum Maßstab zu nehmen und nur der gefähr-
liche Versuch zu strafen. Hierbei muß man sich hüten, einen anderen Gefahrbegriff aufzustellen,
als er der strafrechtlichen Regelung des Versuchs im allgemeinen zugrunde liegt. Dies ist nicht
die konkrete Gefahr für das angegriffene Rechtsgut, sondern die Gefahr für die Rechtsordnung.
Jene besteht beim untauglichen Versuch überhaupt nicht. Deshalb geht es nicht an, mit v. Liszt
die nähere oder entferntere Möglichkeit des Eintritts des Erfolgs den Ausschlag geben zu lassen.
Ob eine Handlung Gefahr für die Rechtsordnung birgt, kann nur aus ihr selbst geschlossen
werden. Aber dafür ist nicht allein ihre Außenseite, sondern auch der nicht in Erscheinung
tretende verbrecherische Plan von Bedeutung.
Der Plan ist dann ein gefährlicher, wenn im Fall der Realisierung so, wie sie der Täter-
sich dachte, eine Verletzung entstehen würde. Handelte dieser in Ausführung eines gefährlichen.
Plans, dann hat er einen gefährlichen Versuch begangen. Er hat gezeigt, daß er Gefährliches
auszudenken vermag und auch der Mann ist, solches zu verwirklichen. In seiner, wenn auch.
unwirksamen, Tätigkeit hat er eine verbrecherische Quelle verraten und, dieser freien Lauf zu
lassen, bereits begonnen. Für die daraus entsprungene Handlung bedarf es der Strafe, um
womöglich die Quelle selbst zu verstopfen.
Hiernach erscheint der Versuch gefährlich und strafbar, wenn jemand infolge einer Ver-
wechslung Zucker statt Arsenik gibt, dagegen ungefährlich und straflos, wenn er in dem Glauben
handelt, den anderen durch den Genuß von Natron oder durch den Geruch einer Totenblume
töten zu können. Solange er Pläne wie die letzteren faßt, braucht die Rechtsordnung von ihm
trotz seiner Bemühung, dieselben zu verwirklichen, nichts zu fürchten.
Die gleichen Grundsätze sind anzuwenden, mag die Untauglichkeit des Versuchs ihren
Grund in dem Mittel oder in dem Objekt haben. Wer in diebischer Absicht die leere Tasche nach
dem Portemonnaie durchsucht oder den tags zuvor geleerten Opferstock erbricht, begeht einen
gefährlichen und strafbaren Versuch. Denn er handelt in Ausführung eines gefährlichen Planes.
Wer aber in dem Töten eines heiligen Tieres die Seele eines Menschen zu vernichten meint,
hat nichts Strafbares getan.
Bei der Beurteilung des gegen ein untaugliches Objekt gerichteten Versuchs darf man
nicht vergessen, daß der Versuch einen Angriff gegen ein Rechtsgut bedeutet und demgemäß
auch von einem untauglichen Versuch keine Rede sein kann, wenn kein Rechtsgut vorhanden
ist, gegen welches er sich richten könnte. Die Tötung als Vernichtung des individuellen Lebens
schließt die Möglichkeit jedwedes Tötungsversuchs gegen eine nichtexistierende Person aus.
Die in Tötungsabsicht an dem totgeborenen Kind verübte Handlung erscheint wohl als eine
höchst gefährliche, aber weder als Versuch überhaupt noch als untauglicher Versuch (A. M.Reichs-
gericht).
8 15. Rücktritt vom Versuch.
Wer bis zu dem Versuch eines Verbrechens vorgedrungen ist, kann nicht durch einen
Schritt rückwärts die Folgen seiner Tat wieder aufheben. Ist durch sie Strafe verwirkt, so-
kommt die Reue zu spät. Aber doch sieht das Gesetz von einer Bestrafung ab, wenn der Täter
— wie man es ungenau ausdrückt — vom Versuch zurücktritt (§ 46 StGB.). Der Grund hier-
für ist auch in dem Prinzip, welches die strafrechtliche Behandlung des Versuchs beherrscht, zu
suchen. Steht der Täter vom Versuch ab, so wird die für die Rechtsordnung bereits hervor-
gerufene Gefahr abgewendet. Denn es ist alsdann 1. aus der abgebrochenen Handlung keine
Rechtsverletzung mehr zu fürchten und 2. kein verbrecherischer Plan mehr da, der gefährlich wäre.