Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

268 Heinrich Dietz. 
Ziffer 5. Abgrenzung vom Kriminalstrafrecht (5 3 Ehr V.) 
Das ehrengerichtliche Verfahren ist vom gerichtlichen Strafverfahren an sich ganz unab- 
hängig; es gilt auch hier nicht der Grundsatz: ne bis in idem. Die Richtung des Angriffs ist ver- 
schieden. Doch hat die Entscheidung des staatlichen Strafgerichts den Vorrang. Solange ein 
gerichtliches Verfahren wegen derselben Handlung oder Unterlassung schwebt, ist ein ehren- 
gerichtliches Verfahren unzulässig; ein schwebendes muß ausgesetzt werden. Bei rechtskräftiger 
gerichtlicher Verurteilung kann ein ehrengerichtliches Verfahren nicht mehr stattfinden, wenn 
auf Entfernung aus dem Heere oder auf Dienstentlassung erkannt ist. In allen anderen Fällen 
kann das ehrengerichtliche Verfahren nachfolgen. An rechtskräftige Urteile in allen ihren Teilen 
ist das Ehrengericht gebunden. Vorkommnisse, die nicht Gegenstand der Urteilsfassung sind, 
können vom Ehrengericht ganz frei festgestellt und gewürdigt werden. 
Ziffer 6. Abgrenzung von anderen staatlich eingesetzten Ehrengerichten und 
einem amtlichen Disziplinarverfahren. 
Ein gleichzeitiges ehrengerichtliches Verfahren ist zulässig; doch kann das Ergebnis des 
staatlichen Ehrengerichts usw. abgewartet und es können die Akten dieses Verfahrens dem 
militärischen Ehrengerichtsverfahren zugrunde gelegt werden. Bei Sanitätsoffizieren des 
Beurlaubtenstandes und bei verabschiedeten Sanitätsoffizieren, die einem staatlichen Ehren- 
gericht für Zivilärzte unterstehen, muß die Entscheidung des letzteren abgewartet werden. 
Ziffer 7. Die Zuständigkeit der Ehrengerichte 
ergibt sich aus ihrem Zweck (s. oben Ziff. 1). Sie beurteilen alle Handlungen und Unter- 
lassungen von Offizieren, die dem richtigen Ehrgefühl oder den Verhältnissen des Offizierstandes 
(dieser Begriff ist zu weit gefaßt; es kann sich nur um Verletzungen der Standesehre handeln, 
was der Spruch beweist) zuwider sind und daher die gesamte Standesehre oder die Ehre des 
einzelnen gefährden oder verletzen; ferner die Fälle, in denen Offiziere zum Schutz ihrer eigenen 
Ehre auf einen ehrengerichtlchen Spruch antragen (ihre Reinigung durch Freisprechung bezwecken). 
Zum Gegenstand eines ehrengerichtlichen Verfahrens sollen nicht gemacht werden: Poli- 
tische Tätigkeit (innerhalb der staatserhaltenden Parteien); Streitigkeiten dienstlicher oder 
privatgeschäftlicher Natur; die grundsätzliche Verwerfung des Zweikampfs aus religiösen oder 
sittlich gerechtfertigten Bedenken; ein Selbstmordversuch, außer wenn die Nebenumstände es 
erfordern. 
Ziffer 8. Perfönliches Geltungsgebiet. 
Unterworfen sind den Ehrengerichten die Offiziere (Sanitätsoffiziere) des aktiven Dienst- 
und Beurlaubtenstandes, die à la suite der Armee (des Sanitätskorps), die Gendarmerie- 
offiziere, die Offiziere z. D. und die Offiziere a. D., die das Recht haben, Militär(Marine- 
uniform zu tragen. Offiziere in der Marine im Sinne des Ehr. sind auch die Marine- 
und Torpedoingenieure, die Feuerwerks- und Torpederoffiziere. 
Ziffer 9. Arten der Ehrengerichte. 
Es gibt Ehrengerichte 
a) über Hauptleute oder Rittmeister, Oberleutnants und Leutnants. Marine: entsprechend 
über Offiziere vom Dienstgrade der Kapitänleutnants abwärts; bei Sanitätsoffizieren: über 
Stabsärzte, Ober- und Assistenzärzte; in der Marine: vom Dienstgrade der Marine-Stabsärzte 
abwärts; 
b) über Offiziere vom Dienstgrade der Stabsoffiziere; bei Sanitätsoffizieren über General- 
oberärzte und Oberstabsärzte. — Bei ehrengerichtlichem Einschreiten gegen Generale, Admirale, 
Stabsoffiziere in dieser Stellung, Adjutanten der Fürsten eines deutschen Hauses usw., gegen 
Generalärzte usw. wird von Allerhöchster Stelle (Bayern: vom KMin.) Näheres bestimmt.
	        
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