Kirchenrecht. 295
1. Provinzialsynode und Metropolit. Die Provinzialsynode, bestehend
aus den allein erscheinungspflichtigen und stimmberechtigten Provinzialbischösen (Suffraganen)
mit ihrer geistlichen Begleitung, tritt alljährlich (nach Nicänum 325 zweimal) zusammen auf
Berufung und unter dem Vorsitz des Metropoliten, dessen Wahl und Weihe im Westen den
Suffraganen zusteht 1, und der außerhalb der Synode namentlich das Bestätigungsrecht für
die Bischofswahlen sowie das Visitationsrecht hat.
Hinschius, Kr. II & 117, III § 173; Loening, Geschichte 1 362 ff., 419 ff.
2. Gesetzgebung. Die Provinzialsynode, zuständig zur Ergänzung der gemein-
kirchlichen Disziplin in allen das Verhältnis der Einzelkirchen zueinander betreffenden Fragen
sowie für innerkirchliche Angelegenheiten Einzelner, die sie als Verbandsglieder betrefsen und
über den Bereich des einzelnen Bistums herausragen, schafft durch ihre Beschlüsse rein kirchliches
Recht, bedarf dafür aber, auch im Frankenreiche, keiner Bestätigung.
Hinschius, Kr. III § 185; Loening, Geschichte 1 376 ff.
3. Verwaltung und streitige Gerichtsbarleit. Sie errichtet nament-
lich Bistümer, gibt die Erlaubnis zu der ausnahmsweise zulässigen Versetzung von Bischöfen
und entscheidet über Diözesangrenzstreitigkeiten.
Hinschius, Kr. III 3 165 IE; Loening, Geschichte 1 409 ff.; Ober, Die Translation
der Bischöfe im Altertum, A. f. k. Kr. LXXXVIII, 1908, LXNXIX, 1909. "
4. Strafrecht und Strafverfahren. Die Mitgliederzunahme und der
damit zusammenhängende Niedergang der christlichen Sittenzucht (Hauptverbrechen: Abfall
vom Glauben, Unzucht einschließlich Ehebruch, Mord) führt zum weiteren Ausbau des kirch-
lichen Strafrechts. Neu tritt hinzu ein vom gemeinen noch nicht scharf geschiedenes Disziplinar-
strafrecht 3 für den Klerus, mit dessen Strafen der Suspension und (für Bischöfe) des Aus-
schlusses vom Kollegialverkehr (communio kratrum) die Besserungsstrafe (censura) in die Kirche
einzieht, wie auch die geheime Zwangsbuße zuerst (seit dem 6. Jahrhundert) für den Klerus
aufkommt. Sie und die der Klosterdisziplin entstammende freiwillige Privatbuße "", deren Buß-
werke (Pönitenzen; dafür zuerst irische und angelsächsische, später auch fränkische Bußbücher,
libri pacnitentiales) nur die Tilgung der Sünden und Sündenstrafen bezweclen, verdrängen die
alte össentliche Buße (im Orient mit Stationen), die ebenfalls keine Strafe, wohl aber ein Rechts-
mittel zur Wiedererlangung der kirchlichen Gemeinschaft gewesen war. Denn durch sie war der
Ausschluß davon (excommunicatio, bei seierlicher Verfluchung anathema , also die Aufhebung
der kirchlichen Mitgliedschaft), seit dem 5. Jahrhundert mit der Sperre auch des Laienverkehrs ver-
1 Im Frankenreich wird jedoch königliche Bestätigung oder gar Ernennung zur Regel.
Das vom Papst verliehene Pallium, anfänglich ein bloßer Ehrenschmuck für verdiente
Bischöse, wird seit 601 (Gregor I. für den englischen Bischof Augustin) in Verbindung mit den
Metropolitanrechten gebracht; vgl. v. Hacke, Die Palliumverleihungen bis 1143, 1898 und die
neuesten Ansichten über Ursprung und Bedeutung des Palliums bei Kraus, Geschichte der
christlichen Kunst II, 1897, S. 497; Braun, Die pontifikalen Gewänder des Abendlandes,
1898, Die liturgische Gewandung im Okzident und Orient, 1907, Handbuch der Paramentik, 1912;
Wilpert, U#n capitolo di storia del vestiario, Arch. stor. dell’ Arte, ser. 2, IV, 1898 u. Arte,
I, 1899, Die Malereien der Katakomben Roms I, 1903 S. 72 ff. und Grisar, Geschichte Roms
(6 12) I, S. 510 ff. Über das Rationale oder Superhumerale siehe Kleinschmidt, Das Rationale
in der abendländischen Kirche, Archiv f. christl. Kunst, 1904; Braun, Zeitschr. f. christl. Kunst
XVI, 1903; Eisenhofer, Das bischöfliche Rationale, seine Entstehung und Entwicklung, Veröff.
aus dem Münchner kirchenhist. Sem. II, 4, 1904t; Bigelmair, Dos bischöfliche Rationale,
H. Jb. XXVII, 1906.
* Doch gelangt z. B. bei Klerikern regelmäßig die depositio statt der excommunicatio zur
Anwendung.
Die Beichte wurde durch Columba nach dem Festland verpflanzt.
* Weil extra ecclesiam nulla salus.
Daneben begegnet namentlich der seltenere Ausschluß bloß von der Abendmahlsgemein-
schaft, seit dem 12. Jahrhundert als excommunicatio minor bezeichnet, sowie die Suspension von
den kirchlichen Mitgliedschaftsrechten, das nachmalige Personalinterdikt.