Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

Kirchenrecht. 315 
führenden, eigenmächtig angemaßten Form verteidigte, indes das Papsttum mit seinem rück- 
sichtslosen Eingriff in positives staatliches Recht nicht bloß um die Existenz der Kirche, sondern 
auch gegen eine überlebte privat-, ja vermögensrechtliche Vergewaltigung öffentlichrechtlicher 
Verhältnisse ankämpfte. Die grundsätzlich richtige Lösung des Vertrages von Sutri 1111: Der 
König verzichtet auf die Investitur, der Papst aber befiehlt den deutschen Bischöfen, alle Hoheits- 
rechte und Güter dem Reich zurüclzustellen, die ihren Bistümern seit Karls des Großen Tagen 
zugewendet worden, mutete den Bischösen um eines doktrinären Postulates willen den Verzicht 
auf ihre reichsfürstliche Stellung zu, den sie leisten weder wollten noch konnten. Die für die 
Folgezeit endgültige Lösung brachte das Wormser Konkordat von Heinrich V. und Kalixt II. 
(zwei Urkunden: das Calixtinum mit den Zugeständnissen des Papstes, das privilegium Heinrici 
mit denen des Kaisers) im Sinn einer kaiserlichen Vermittlungspartei: 1. Freie kanonische Wahl 
insbesondere der Bischöfe durch Klerus und Voll (seit Innozenz II. 1139 tritt, um die dem König 
gebliebenen Rechte möglichst zu schmälern, das Kirchengesetz für das ausschließliche Wahlrecht 
der Domkapitel ein) bei persönlicher Anwesenheit des Königs oder seines Wahlkommissärs, jedoch 
ohne simonistische oder gewalttätige Beeinflussung 1. 2. Investitur mit dem Scepter in die 
weltlichen Güter und Hoheitsrechte (regalia = temporalia) durch den König in gehöriger Form, 
also gegen Treueid und Mannschaft, bomagium. 3. Investitur durch Ring und Stab in das 
geistliche Amt durch die lirchliche Autorität (vorerst also durch den Metropoliten) im Zusammen- 
hange mit der Konsekration. 4. Diese soll in Deutschland der Investitur mit dem Scepter 
nachfolgen, so daß der König die Rechtmäßigleit der Wahl zu prüfen und es vielleicht damit 
in der Hand hatte, ob der Gewählte Vollbischof wurde oder nicht. In Italien und Burgund gehen 
dagegen Weihe und geistliche Investitur voran und soll die weltliche binnen 6 Monaten der 
Weihe nachfolgen. 
Hauck, Die Entstehung der bischöflichen Fürstenmacht, Leipziger Univ.-Progr., 1891; Hin- 
schius, Kr. II 122—124; Werminghoff, VG. ö# 25, 32; Schmidlin, Das Investitur- 
problem, A. f. k. Kr. LXXUI, 1 B. Mono d, Essai sur les rapport= de Pascal II. avec 
Philippe I., B. é6. h. 6. sc. hist. 164 fasc. 1907, L'élection Öpiscopale de Beauvais 1100—1104 
(auch in Môm. de la soc. acad. de I’Oise XIX), 1908, La question des investitures à l’entrevue de 
Chalons, R. h. CI, 1909; Kumsteller, Der Bruch zwischen Regnum und Sacerdotium in der 
Auffassung Heinrichs IV. und seines Hofes, Greifswalder phil. Diss., 1912; Löffler, Die west- 
fälischen Bischöfe im Investiturstreit, Münster. Beitr. z. Gesch. XIV, 1903; Schäfer, Zur Be- 
urteilung des Wormser Konkordats, Berliner Ak. Abh., 1905; Rudorff, Zur Erklärung des 
Wormser Konkordats, Zeumers O. u. St. 1 4, 1906; Kopfermann, Das Wormser Konkordat 
im deutschen Staatsrecht, Berl. phil. Diss., 1908; Bernheim, Das Wormser Konkordat und 
seine Vorurkunden, Gierkes Unters. 81. H., 1906, Die praesentia regis im Wormser Konkordat, 
H. B. 1907; Sägmüller, Die Konstantinische Schenkung im Investiturstreit, Th. Q. LXXXIV, 
1902; Boerger, Die Belehnung der deutschen geistlichen Fürsten, Leipziger Stud. z. Gesch. VIII, 
1, 1901; Buchner, Die Reichslehentaxen vor dem Erlaß der Goldenen Bulle, H. Ib. XXX , 
1910; v. Below, Die Entstehung des ausschließlichen Wahlrechts der Domkapitel, Hist. Studien 
XI, 1883, und dazu für Magdeburg Schum in den Hist. Aufs. für Waitz 1886, für Trier Speyer 
1888, für Hildesheim Häntzsche, A. f. k. Kr. LIXXI, 1894; Laehns, Die Bischofswahlen in 
Deutschland von 936—1056, Greifswalder phil. Diss., 1909; Schuler, Die Besetzung der Bis- 
tümer bis auf Bonifaz VIII., Berliner phil. Diss., 1909; Martini, Die Trierer Bischofswahlen 
vom Beginn des 10. bis zum Ausgang des 12. Jahrhunderts, Eberings hist. Stud. LXXII, 1909; 
Brennich, Die Besetzung der Reichsabteien (1138—1209), Greifswalder phil. Diss., 1908; 
stehende geistliche Reichsfürstentum sich besonders verlassen zu können glaubten. Dieses war übrigens, 
vermutlich seit Heinrich II., mit dem Erzbischofe von Mainz, der als primas Germaniae damals 
der Konsekrator des deutschen Königs war, an der Spitze auch zur Anteilnahme an der Königs- 
wahl, bis dahin ein rein weltliches Geschäft, gelangt. Nachdem seit 1028 der Mainzer das Erst- 
krönungsrecht an den Kölner verloren hatte, behauptete er sich doch im Besitze der zur Zeit 
der Einstimmigkeitswahl wichtigsten Erststimme und trat dann mit Köln und Trier in den Kreis 
der ausschließlich wahlberechtigten Kurfürsten ein, um schließlich, nach Einführung der Mehrheits- 
wahl, durch die Goldene Bulle von 1356 mit dem Wahlvorsitz die nunmehr wichtigste Letztstimme 
zugebilligt zu erhalten. Stutz, Der Erzbischof von Mainz und die deutsche Königswahl, 1910, 
Die rheinischen Erzbischöfe und die deussche Königswahl, Festschrift f. Brunner, 1910. 
1 Bei zwiespältigen Wahlen sollte der König die Entscheidung zugunsten der Partei herbei- 
führen, die nach Rat und Urteil des Metropoliten und der Provinzialbischöfe die pars sanior 
6.— 20 4) war; Schäfer, Consilio vel iudicio = mit minne oder mit rechte, Berliner 
.US. B., 1913.
	        
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