Strafrecht. 35
Die Vollstreckung des Verweises geschieht in Ermangelung besonderer Vorschriften nach
den allgemeinen Regeln. Mithin ist Vollstreckungsorgan die Staatsanwaltschaft bzw. der Amts-
richter (5 483 St PO.) und die Vollstreckung erst nach Rechtskraft des Urteils möglich.
8§ 22. Nebenstrafen.
a) Nebenstrafen an der Freiheit.
Nebenstrafen am Leben gibt es nicht. Nebenstrafen an der Freiheit sind Stellung unter
Polizeiaufsicht, korrektionelle Nachhaft und Ausweisung.
Die Stellung unter Polizeiaufsicht ist insofem eine moderne Strafe,
als es erst, seitdem die persönliche Freiheit unter richterlichem Schutz steht, eines besonderen
Richterspruches bedarf, um ausnahmsweise der Polizei ein Recht auf Beschränkung der Frei-
heit einzuräumen. Bei keinem Verbrechen ist der Richter genötigt, auf Zulässigkeit der Polizei-
aufsicht zu erkennen. Macht er in den Fällen, in welchen ihn das Gesetz ausdrücklich hierzu er-
mächtigt, von seiner Befugnis Gebrauch, so erwächst der Polizei nicht die Pflicht, sondern das
Recht der besonderen Beaufsichtigung des Verurteilten (§ 38 St GB.). Sie wird zur Aus-
Übung dieses Rechtes schreiten, wenn trotz der Verbüßung der Hauptstrafe noch Außerungen
der verbrecherischen Neigung zu erwarten sind. Aus diesem Gesichtspunkt erklären sich die Macht-
befugnisse, welche der Polizei im einzelnen gegenüber dem unter ihre Aussicht gestellten Delin-
duenten gegeben sind. Sie kann namentlich jederzeit, auch während der Nacht, Haussuchungen
bei ihm vornehmen und den Aufenthalt in einzelnen Ortschaften und Ortlichkeiten schlechthin
oder für bestimmte Zeiten, z. B. während eines öffentlichen Umzuges, verbieten (§ 39 StGB.),
einen Wandergewerbeschein versagen (§ 57 Nr. 2 Gewerbeordnung) u. a. m. Die polizeiliche
Kontrolle darf natürlich keine dauernde sein. Sie ist beschränkt auf die Zeit von 5 Jahren nach
Verbüßung der Freiheitsstrafe. -
Korrektionelle Nachhaft. Auch dann, wenn das Urteil auf Überweisung an
die Landespolizeibehörde, auf sog. korrektionelle Nachhaft, lautet, erhält die Polizei nur ein
zeitlich beschränktes Recht, das sie zwei Jahre lang, nachdem der Verurteilte die Hauptstrafe
verbüßt hat, ausüben kann, aber nicht ausüben muß (5 362 Abs. 2 StGB.).
Die ÜUberweisung an die Landespolizeibehörde ist eine Strafe gegen liederliche Personen,
wie Zuhälter, Landstreicher, Bettler, Müßiggänger, Dirnen, Arbeitsscheue und Obdachlose
(* 181 a, § 361 Nr. 3—8 StGB.). Landstreicherei, Bettelei usw. sind bloße Ubertretungen,
weshalb die Hauptstrafe nur in Haft besteht. Ein paar Tage oder Wochen Haft würden aber
auf solche Personen, die meist Gewohnheitsberbrecher sind, wenig Eindruck machen. Selbst
die Gefängnisstrafe, welche den Zuhälter trifft, wirkt nicht genügend. Darum bedarf es ihnen
gegenüber unter Umständen noch einer längeren Nachhaft mit intensivem Arbeitszwang. Will die
Landespolizeibehörde die Nachhaft vollziehen, so kann sie den Verurteilten entweder in einem
Arbeitshaus leine Dirne auch in einer Besserungsanstalt] unterbringen oder zu gemeinnützigen
Acbeiten verwenden (vgl. § 362 Abs. 3 StGB.). Durch den unbedingten Arbeitszwang, der
mit dieser Nebenstrafe verbunden ist, wird sie außerordentlich gefürchtet und entspricht wie keine
andere Strafe dem Besserungszweck.
Ausweisung. Doa die Stellung unter Polizeiaufsicht und die Uberweisung an die
Landespolizeibehörde auf den Verurteilten vorwiegend bessernd einwirken soll, wir aber keine
Veranlassung haben, Besserungsversuche an Ausländern anzustellen, können diese auf die Zeit,
während welcher jene Strafen möglich sind, ausgewiesen werden (§ 39 Nr. 2, 8 362 Abs. 4
StGB.).
Als besondere Nebenstrafe gegen Ausländer dient die Ausweisung außerdem in Spezial-
fällen, z. B. bei Verurteilung wegen gewerbsmäßigen Glückspiels (s 284 Abs. 2 StEG.).
5) Nebenstrafen an der Shre.
Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte. So wenig wie die Ehre
einer Person gemindert werden kann, gibt es Strafen, welche die Ehre nehmen. Was durch
Ehrenstrafen verloren geht, sind einzelne Ehrenrechte. Nirgends ist deren Verlust die un-
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