Kirchenrecht. 399
Thudichum, Deutsches Kirchenrecht des 19. Jahrhunderts, 2 Bde., 1877/78; Bachem und
Sacher, Staatslexikon (der Görres-Ges.) “,", 5 Bde., 1911—12; Pieper, Kirchliche Statistik.
Deutschlands , 1900; Krose, Konfessionsstatistik Deutschlands, 1904, und die deutsche Kon-
fessionszählung am 1. Dezember 1910, St. M.-L. LXXXIV, 1913; Hinschius, Das preußische
Kirchenrecht im Gebiete des A. L. R., 1884; Friedberg, Die evangelische und die katholische
Kirche der neu einverleibten Länder, 1867, Evangelisches Verfassungsrecht (5 53) §§ —8; Schoen,
Preußisches Kirchenrecht 1 (§ 48, 3) 5§ 13, 14 und die Lit. § 2; Rintelen,, Die kirchenpolitischen
Gesetze Preußens und des deutschen Reichs, 1903; Hue de Grais, Handtbuch der Ver-
fassung und Verwaltung in Preußen und dem Deutschen Reiche “#:, 1912, §8 274 ff.; Anschütz,
Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat 1, 1912 S. 183 ff.; Seydel, Bayerisches
Staatskirchenrecht (= Bayerisches Staatsrecht VI), 1893; Silbernagl, Verfassung und
Berwaltung sämtlicher Religionsgenossenschaften in Bayern"#, 1900; Kahl, Die Selbständig-
keitssttellung der protestantischen Kirche in Bayern, 1874; v. Seydewitz, Codex des im König-
reich Sachsen geltenden Kirchenrechts", 1890; Spohn, Badisches Staatskirchenrecht, 1868;
Hübsch, Ludwig, Mayer in: Das Großherzogtum Baden in allgemeiner, wirtschaftlicher
und staatlicher Hinsicht, hrsg. von Rebmann u. A. 1/, 1912; Reidel, Die katholische Kirche
im Großherzogtum Hessen, 1904; Seeland, Die katholische Kirche im Herzogtum Braunschweig,
1909; Dursy, Das Staatskirchenrecht in Elsaß-Lothringen, 1876; Geigel, Das französische
und das reichsländische Staatskirchenrecht, 1884, sowie die Lehr- und Handbücher des deutschen
Reichs- und Landesstaatsrechts. Für Osterreich vgl. v. Hussarek, Grundriß des Staatskirchen-
rechts, in Finger und Frankl, Grundriß des österreichischen Rechts, 1908 (auch separat).
8 57. Leitende Grundsätze; Gewissens= und Kultusfreiheit.
Der deutsche Staat der Gegenwart erblickt seine Aufgabe nicht mehr darin, seine An-
gehörigen zur Religiosität oder gar zu einer bestimmten Form derselben zu erziehen. Vielmehr
verzichtet er grundsätzlich auf jede religiöse Wohlfahrtspflege. Dies nicht bloß deshalb, weil-
er Untertanen verschiedener christlicher Bekenntnisse mit Bekennemn nichtchristlicher Religionen
und mit Religionslosen in seinem Gebiet vereinigt, denen allen er in gleicher Weise, so weit es
sich mit den Interessen der Gesamtheit verträgt, die Möglichkeit zu freier Entfaltung ihrer
Eigenart und zur Erfüllung des menschlichen Daseinszweckes geben muß, so wie ihn ein jeder
für sich erfaßt. Vielmehr namentlich auch deshalb, weil der Staat auf die Anwendung äußerer
Mittel sich beschränkt sieht und bereitwillig anerkennt, daß die vorhandenen kirchlichen Heils-
anstalten einen geschichtlich wohlbegründeten Anspruch auf die religiöse Arbeit am Volke haben,
sowie daß sie, zu diesem Zweck besonders veranlagt und mit Heilsmitteln, die das Innere des
Menschen erreichen, ausgerüstet, weit besser, als er es je tun könnte, die ja natürlich auch ihm.
nur erwünschte Durchdringung des Volkstums und Volkslebens mit religiösen, vor allem mit
christlichen Grundsätzen bewerkstelligen.
Nur soweit es gilt, gegenüber der konfessionellen und kirchlichen Ausschließlichkeit den
Frieden der Gesamtheit und die freie Selbstbestimmung des Einzelnen zu wahren, nur so weit
greift der Staat ein. Er tut dies einmal in seiner Eigenschaft als höchste Macht, also kraft seiner
Souveränität. Dabei muß er, da diese seine höchste Macht sich auf sein Territorium beschränkt,
prinzipiell von dem Zusammenhang der in seinem Gebiet befindlichen Religionsverbände mit
der Außenwelt absehen. Das heißt: er gibt den Kirchen, auch der katholischen, lediglich eine
innerstaatliche Stellung. Das ist nun freilich nur eine durch den Mangel eines zwischenstaatlich-
kirchlichen Verbandes und den Souveränitätsbegriff geforderte formale Auskunft, eine im
Interesse staatlicher Selbstbehauptung vorgenommene Fiktion, bezüglich welcher der Staat
bei der praktischen Handhabung seiner Macht gut tut, im Auge zu behalten, daß sie den Tat-
sachen bloß in sehr beschränktem Maße entspricht, und daß speziell im Verhältnis zur katho-
lischen Kirche selbst im vergangenen Jahrhundert keine, auch nur gemischt staatlich-kirchliche
Maßregel von größerer Wichtigkeit ohne Rücksichtnahme auf die Universalität der katholischen
Kirche und ihre auswärtige Zentralregierung mit Erfolg hat getroffen werden können. Es
ist aber auch keine Auskunft, welche die praktische Wirksamkeit der Kirchen, soweit sie wirklich
religiöser Natur ist, irgendwie hemmt. Denn die rechtliche Unterordnung verträgt sich wohl
mit einer „ethischen Gleichordnung“, die sich in Deutschland beispielsweise äußert in dem straf-
rechtlichen Sonderschutz, welchen RStGB. §§ 166, 167, 243 Ziff. 1, 304 und 306 Ziff. 1 gegen
Gotteslästerung, Kirchenbeschimpfung, Gottesdiensthinderung und Gefährdung des kirchlichen.
Vermögens gewährt, oder in der Zuwendung von Dotationen, einmaligen oder dauernden