Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

Kirchenrecht. 407 
als öffentlicher Beamter (jedoch nicht, Baden ausgenommen, als solcher im Sinne des RSt. 
##m 31, 2, 359), die juristische Persönlichkeit, wenn nicht der Gesamtkirche, so doch der einzelnen 
Kirchenkörper (Bistümer, Kapitel, Pfarreien, Kirchgemeinden und kirchlichen Genossenschaften 1), 
endlich die Gewährung des weltlichen Arms für die Vollstreckung der Disziplinarerkenntnisse 
und Abgabenforderungen. Anderseits äußert es sich in einem gesteigerten Aufsichtsrechte. 
Singer, Zur Frage des staatlichen Oberaufsichtsrechts, D. Z. f. Kr. V, 1895, VIII, 1898; 
Schoenborn, Das Oberaussichtsrecht des Staates im modernen deutschen Staatsrecht, 1906; 
v. Bonin, Praktische Bedeutung des i. r. (6 45); Greiff, Das staatliche Reformationsrecht, 
Erlanger jur. Diss., 1903; Hinschius, Staat und Kirche (6 55); Rosin, Das Recht der öffent- 
lichen Genossenschaft, 1886 Herrmann, bber die Stellung der Religionsgemeinschaften im 
Staate, 1849; Sohm, Das Verhältnis von Staat und Kirche, Z. f. Kr. XI, 1873; Fürstenau, 
Über die Befreiung der Dienstgrundstücke der Geistlichen von der Gemeindegrundsteuer im Geltungs- 
gebiet des Preuß. Allg. Landrechts, Festgabe f. Hübler, 1905. 
2. Gegenüber den religiösen Korporationen, insbesondere aber gegenüber den gualifi- 
zierten Religionskörperschaften oder Kirchen im Sinne des Staatsrechts reicht nämlich die 
gewöhnliche Vereinsaussicht nicht aus. Die privilegierten Kirchen müssen sich also, da besondere 
Rechte auch besondere Pflichten bedingen, eine weitgehende Aufsicht gefallen lassen (ius 
inspiciendi cavendi). Sie äußert sich in einer Anzahl von Kontroll-, Abwehr-, Mitwirkungs- 
und Vorbeugungseinrichtungen. So dürfen Disziplinarerkenntnisse gegen Geistliche, gegen 
die, anders als gegen Laien, auf Freiheits- und Geldstrafen, jedoch nur in besonderer Form 
(Verweisung in ein staatlich beaufsichtigtes Demeritenhaus auf kürzere Zeit) und in beschränkter 
Höhe erkannt werden kann, nur vollzogen werden mit dem Willen des Verurteilten (Preußen, 
Hessen) oder bloß, wenn sie von der Staatsbehörde für vollstreckbar erklärt sind. In Bayern, 
Sachsen, Württemberg und Hessen ist außerdem noch die Beschwerde wegen Mißbrauchs der 
geistlichen Amtsgewalt (recursus ab abusu) an die Staatsbehörde im Fall der Uberschreitung 
der Schranken der kirchlichen Strafgewalt gegeben. Auch die Ordensaufsicht gehört hierher. 
Als Abwehrmaßregeln kommen in Betracht gewisse Strafbestimmungen, z. B. bei staatskirchen- 
rechtswidriger Amterbesetzung gegen den Kollator und den Ernannten (Preußen, Baden, Hessen) 
oder bei Trauung ohne Nachweis der Eheschließung (vgl. PSt G. § 67 mit EG. zum BG#. 
Art. 46 III), bei Mißbrauch des geistlichen Amtes oder der geistlichen Stellung zur Friedens- 
störung (RStGB. 5F 130 a), weiter (in Bayern nach gesetzlicher Ermächtigung auch für Ein- 
kommen, das auf privatrechtlichem Titel beruht?) die Temporaliensperre, d. h. die Einbehaltung 
des vom Staate herrührenden Amtseinkommens renitenter Kirchendiener. Als Mitwirkungs- 
rechte kommen in Betracht die Befugnisse der Staatsbehörde zur Genehmigung der Errichtung 
und Veränderung von Kirchenämtem, femer die positive (Bayern) oder bloß negative 
Mitwirkung (Einspruchsrecht nach Anzeige, namentlich bei Pfarramtsbesetzung, in Sachsen, 
Württemberg, Baden, Hessen, Preußen) bei der Verleihung von Kirchenämtem, zu der 
noch die Aufstellung von gewissen Vorbedingungen kommt (Indigenat). Eine Vorbeugungs- 
maßregel endlich sollte das Plazet 2 sein, d. h. die Befugnis zu vorgängiger Prüfung kirch- 
licher (auch päpstlicher) Gesetzgebungsakte mit Nichtigkeitswirkung für den Fall nichtgenehmigter 
Veröffentlichung. In Bayem gilt es für alle kirchlichen Verordnungen, anderswo, z. B. in 
Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, nur für solche, die in bürgerliche und staatsbürgerliche 
Verhältnisse eingreifen. Preußen ist es unbekannt, ohne Schaden für die staatliche Autorität, 
da es, wie die Erfahrung lehrt, die Veröffentlichung und Wirksamkeit kirchlicher Normen doch 
nicht zu verhindern vermag, wohl aber dem Staat unter Umständen unnütze Verlegenheiten 
bereitet, so daß eine besondere staatliche Veranstaltung für die selbstverständliche bürgerliche 
Wirkungslosigkeit von Kirchengesetzen, die staatlichen zuwiderlaufen, besser unterbleibt. Der 
evangelischen Kirche gegenüber ist, da der Träger ihres Kirchenregiments zugleich Staats- 
—.. 
  
1 Entscheidung des Kammergerichts, 1. Piienen: vom 9. November 1905, D. Z. f. Kr. XVII, 
1907; Kahl, Die Errichtung von Handelsgesellschaften durch Religiose, 1900 (auch in der Berliner 
Festgabe f. Dernburg);; Cuno, Der Erwerb der juristischen Persönlichkeit seitens der Orden 
und ordensähnlichen Genossenschaften der katholischen Kirche nach dem im Deutschen Reiche gel- 
tenden Recht, Leipziger jur. Diss., 1908; Giese, Katholisches Ordenswesen (§ 57); Anschütz, 
Preußische Verfassungsurkunde (vor 8 67) I S. 254 ff., 257. 
Verworfen durch das vatikanische Konzil in der dogmatischen Konstitution vom 18. Juli 1870.
	        
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