Strafrecht. 39
Strafe verhängt, sondern statt dessen nur Freiheitsstrafe von 3—15 Jahren (§ 57 Nr. 1 und 2
StGB.). Ihm soll das Schimpfliche der Zuchthausstrafe erspart werden, darum läßt man
letztere durch Gefängnis ersetzen (§ 57 Nr. 3 StGB.). Zur Vermeidung ehrenrühriger Strafen
sind auch Zulässigkeit von Polizeiaussicht und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte aus-
geschlossen (§ 57 Nr. 5 StGB.). Um ihn in besonders leichten Fällen mit Freiheits-- und selbst
mit Geldstrafe zu verschonen, ist die Möglichkeit gegeben, auf bloßen Verweis zu erkennen (§ 57
Nr. 4 St G.)).
Nicht genug, daß der Normalstrafrahmen eine qualitative Veränderung erfährt, er wird
auch quantitativ geändert. Im Maximum wird er auf die Hälfte des Höchstbetrags des Normal-
strafrahmens, im Minimum auf den gesetzlichen Mindestbetrag der bei dem betreffenden Delikt
angedrohten Strafart herabgesetzt (§ 57 Nr. 3 St G.). Erst nach dieser Reduktion ist die Ver-
tauschung der Zuchthaus= mit der Gefängnisstrafe vorzunehmen, so daß z. B. die Strafe für
den jugendlichen Totschläger 1 Jahr (nicht 1 Tag) bis 7½ Jahre Gefängnis beträgt. Trotz dieser
schon sehr erheblichen Milderung wird eine abermalige Herabsetzung bei Versuch und Beihilfe
notwendig.
VII. Strafbemessung bei Gesetzeskon kurrenz. Die bisherigen Er-
örterungen betrafen die Strafbemessungen für ein Delikt. Nunmehr hätten wir zu unter-
suchen, welche Strafe für mehrere Delikte desselben Täters zu verhängen ist. Bevor wir aber
hierauf eingehen, müssen wir die Strafe für den Fall feststellen, in dem durch eine Hand-
lung mehrere verbrecherische Erfolge herbeigeführt und wenigstens nach verbreiteter Meinung
auch mehrere Verbrechen begangen, in Wahrheit aber nur mehrere Strafgesetze übertreten sind.
Führte die Handlung mehrere Erfolge herbei, ohne verschiedene Strafgesetze zu verletzen,
beleidigte z. B. das Wort mehrere Personen (sog. gleichartige Idealkonkurrenz), so kommt ledig-
lich das eine verletzte Strafgesetz in Frage. Um zu diesem einfachen Resultate zu gelangen,
bedarf es keiner besonderen Regel. Es ist daher verfehlt, die sehr wohl berechtigte „Lücke im
Gesetz“ durch eine künstlich konstruierte Analogie ausfüllen zu wollen. Wo nur eine Hand-
lung vorliegt, ist immer nur eine einzige Strafe möglich. Und, da das anzuwendende Gesetz
von vornherein gegeben ist, können Schwierigkeiten nicht entstehen.
Solche treten erst dann hervor, wenn die Handlung nicht von einem einzigen Gesetz um-
spannt wird. Wenn der Steinwurf eine Sache beschädigt und zugleich eine Person verletzt
(sog. ungleichartige Idealkonkurrenz), so kann man zweifeln, ob das Gesetz über Sachbeschädigung
oder das Gesetz über Körperverletzung zur Anwendung kommen soll. Diesen Zweifel löst der
* 73 St GB., wonach die Strafe aus demjenigen Gesetz zu verhängen ist, welches die schwerste
Strafe und bei ungleichartigen Strafen die schwerste Strafart androht. Hiernach wird eine
Strafenklimax vorausgesetzt. In ihr würde die Festungshaft milder sein als die Gefängnis-
strafe. Wollte man die äußerste Konsequenz hieraus ziehen, so wäre zeitiges Gefängnis eine
schwerere Strafe als lebenslängliche Festungshaft, was aber den Tatsachen widerspricht. Die
gesetzliche Regel reicht daher nicht aus. Bei gleichartigen Strafarten muß das höhere Maximum
entscheiden. Wenn der Gesetzgeber die Strafbemessung nur nach dem schwersten Gesetz vor-
schreibt, so will er damit nicht die übrigen Gesetzesverletzungen völlig unbeachtet gelassen wissen.
Denn die zu verhängende Strafe soll eine Strafe für die Gesamtheit der Gesetzesüber-
tretungen sein. Es ist daher auch die Verurteilung nicht nur auf Grund desjenigen Gesetzes,
nach welchem die Strafe zu bemessen ist, sondern auf Grund aller mitverletzten Gesetze aus-
zusprechen.
VIII. Strafbemessung bei Verbrechensmehrheit. Für die Straf-
bemessung einer wirklichen Verbrechensmehrheit, d. h. für den Fall, in dem durch mehrere selb-
ständige Handlungen mehrere verbrecherische Erfolge hervorgerufen sind, kann man entweder
davon ausgehen, daß jedes Verbrechen eine besondere Strafe erfordere (sog. Kumulations-
prinzip) oder davon, daß nur die schwerste der verwirkten Strafen erkannt werde (sog. Absorptions-
prinzip). Letzteres ist zu verwerfen, da ein Verbrechen nicht deshalb straflos bleiben kann, weil
esneben anderen verübt ist. Das Kumulationsprinzip ist aber auch nicht immer durchführbar,
z. B. bei Zusammentreffen von Todes= oder lebenslänglicher mit zeitiger Freiheitsstrafe. Selbst
da, wo es ausführbar wäre, muß man von ihm Abstand nehmen, weil durch die Häufung der
Strafen ihre Schwere wächst, der Verbrecher also dann mehr erleiden würde als die Summe