Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

Kirchenrecht. 417 
Aufsteigen in der Hierarchie verzichten. Sie 1 werden auf bestimmte Kirchen Roms, die so- 
genannten Titel (vornehmster: S. Lorenzo in Lucina) und Diakonien (erste: S. Maria in Via 
Lata) vom Papst nach bloß formeller Anhörung des h. Kollegiums und unter Berücksichtigung 
der Wünsche der großen katholischen Mächte Osterreich und Spanien (Kronkardinäle) ernannt 
(Ccreatio), und zwar in mehreren Konsistorien, d. h. Versammlungen des Papstes und der Kardinäle, 
in einem ersten, geheimen (Möglichkeit der reservatio in pectore, z. B. eines als Nuntius zurzeit 
noch unentbehrlichen Prälaten, und späterer Publikation unter Wahrung der Anciennität)?, 
und in weiteren, in öffentlichen mit geladenen Gästen 3s oder in geheimen (Ubergabe des breit- 
krämpigen, mit 15 Flocken oder Quasten versehenen, roten Hutes und des Ringes, annulus 
cardinalicius, Schließung des Mundes und nachherige Wiederöffnung zur Symbolisierung der 
Pflicht, im Amte zu schweigen und zu reden, Anweisung von Titel oder Diakonie #). Vorstand des 
Kardinalskollegiums ist als Kardinaldekan der Bischof von Ostia, als Subdekan derjenige von 
Porto, infolge des heute noch geltenden Optionsrechtes (§ 40, 1) meist der amtsälteste bzw. nach- 
alteste Kardinalbischof. Die Kardinäle beziehen die Einkünfte ihrer Kirchen und etwaiger 
weiterer Pfründen samt einem Anteil der Einkünfte des Kollegiums (besonderer Camerlengo 
del Sacro Collegio, alljährlich im ersten Konsistorium durch Uberreichung einer roten Börse neu 
bestellt) und, falls all dies samt Privateinkommen nicht 4000 Skudi (etwa 16 800 Mk.) aus- 
macht, eine monatliche Rente aus der päßpstlichen Kammer (piatto cardinalizio, Kardinals- 
schüssel). Sie sind geborene Mitglieder der allgemeinen Konzilien und werden nur vom Papst 
gerichtet; ihre Injurierung ist Majestätsverbrechen, sie tragen (seit 1905) das Brustkreuz, auch 
wenn sie nicht Bischofsweihe haben, und den Kardinalsring, gehen allen anderen kirchlichen 
Würdenträgern vor und unmittelbar nach regierenden Fürsten, die ihnen gebührende Anrede 
ist Eminenz 5, ihre Tracht der Purpur, eventuell ihre Ordensfarbe mit roten Abzeichen. 
Hinschius, Kr. 1## 33—39; Kirsch, Die reservatio in petto, A. f. k. Kr. LXXXI, 1901. 
Das wichtigste Recht der Kardinäle ist die Papstwahl, deren ordentliche Form jetzt durch 
Pius' X. Konstitution Vacante sede Apostolice vom 25. Dezember 1904 nebst desselben 
Konstitution Commissum Nobis vom 20. Januar 1904 geregelt ist, während für die außerordent- 
liche (eventuell außerhalb Roms) maßgebend bleibt Leos XIII. Konstitution Praedecessores 
Nostri vom 24. Mai 1882 mit zugehöriger Instructio (Regolamento) t#. Nachdem der Heilige 
Stuhl durch Tod oder Abdankung erledigt worden ist, beziehen die in Rom residierenden 
oder herbeigeeilten (auch exkommunizierten) Kardinäle mit Begleit am elften Tag das 
Konklave 7, einen jeweilen herzurichtenden vermauerten Raum, jetzt im Vatikan, mit sehr 
beschränkter, streng beaufsichtigter Verkehrsgelegenheit nach außen (Speisenzufuhr, Einlaß 
nachträglich eintreffender Kardinäle), der vor Vollendung der Wahl nicht mehr verlassen 
1 Natürlich mit Ausnahme der Kardinalbischöfe. Bloß Priester war z. B. 16 Jahre lang 
Kardinal Pitra, bis er 1879, nachdem er zweimal abgelehnt, für Frascati optierte und von Leo XIII. 
selbst die Bischofsweihe empfing. 
„ Am Nachmittag wird den in Rom anwesenden im Vorzimmer des Papstes das rote Käppchen 
und später von diesem selbst das Birett überreicht. Die auswärtigen erhalten das Käppchen durch 
einen Nobelgardisten, während das Birett wenigstens den Kronkardinälen von ihren Staats- 
oberhäuptern, denen ein apostolischer Ablegat es zu diesem Zweck überbracht hat, in feierlichem 
Gepränge überreicht wird. Baumgarten, Die übersendung des roten Hutes, H. Jb. XXVI, 
1905. Vgl. Acta Apostolicae Sedis III, 1911 p. 590 ss., 655 ss., IV 696 ss. über die öffentlichen 
und geheimen Konsistorien Pius' X. vom 27. und 30. November 1911, 2. Dezember 1912. 
* Als halböffentlich (semipublica) bezeichnet man Konsistorien, an denen außer dem Hl. 
Kolleg die in Rom anwesenden Bischöfe teilnehmen. 
Schiappoli, Le chiese di titolo cardinalizio, La Legge XLIX, 1910. Vgl. die Ver- 
leihung der Diakonien S. Maria in Domnica vom 30. November 1911 und S. Cesareo in Palatio, 
Acta A. Sedis IV, 1912 p. 169 ss., 46988. und Biasiotti, Le diaconie cardinalizie e la diaconia 
S. Viti in Macello, 1911. 
* So wird sonst nur noch der Großmeister der Malteser tituliert. 
Alle drei Erlasse in Pii X. Acta, vol. III, 1908 p. 239 ss. und bei Giese, Die geltenden 
Papstwahlgesetze, Kl. Texte von Lietzmann LXXXV, 1912, auch D. Z. f. Kr. XIX, 1909, A. f. 
k. Kr. LXXXIX, 1909. 
.Dos italienische Garantiegesetz gewährleistet für die Zeit der Vakanz die persönliche Frei- 
heit der Kardinäle und des Konklaves. 
Cnzyklopädie der Rechtswifsenschaft. 7. der Neubearb. 2. Aufl Band V. 27
	        
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