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werden darf. Die Wahl geschieht entweder a) quasi per inspirationem, also durch Akkla-
mation, oder b) per compromissum, d. h. durch die Majorität der (mindestens zwei) von
den anderen einstimmig mit der Wahl Beauftragten, oder c) per scrutinium, d. i. in
geheimer Stimmzettelwahl 1 durch zwei Drittel, nicht gerechnet den Gewählten, falls er
für sich selbst gestimmt hat. Führt eine Hauptwahl nicht ganz zur Zweidrittelsmehrheit,
so kommt es nicht mehr zu einer Zusatzwahl, zum Akzeß (accedo nemini — Aufrechterhaltung
der früheren Stimmabgabe; accecco dem oder jenem in der Hauptwahl mit größerer oder ge-
ringerer Stimmenzahl Vertretenen = Ubergang zu demselben), sondem zu einer bloßen Nach-
wahl (ohne Neuvereidigung der Wähler und Neubestellung des Wahlbureaus). Die von den
katholischen Mächten in Anspruch genommene Befugnis (Exklusive), in jedem Konklave ein-
mal durch einen Vertrauens- (Kron-) Kardinal gegen einen mißliebigen Kandidaten ein Veto ein-
zulegen 2, dessen Nichtbeachtung aber die Wahl nicht nichtig machen würde, ist von Pius X. noch
energischer als von seinen Vorgängem verworfen, und jede Beeinflussung der Papstwahl von
seiten einer weltlichen Macht, selbst durch Außerung eines bloßen Wunsches, ist bei Strafe der dem
künftigen Papste speziell vorbehaltenen excommunicatio maior latae sententiae untersagt
sowie nach Kräften unmöglich gemacht worden 8. Wählbar ist jeder Christ; seit 1389 werden
tatsächlich bloß Kardinäle gewählt. Mit der Annahme der Wahl wird die Jurisdiktion erworben.
Ist der Gewählte, der seinen Namen wechselt, schon Bischof, so erhält er bloß noch eine Benedik-
tion; sonst konsekriert ihn der Kardinaldekan, der — aber nur für diese Gelegenheit — deshalb
auch das Pallium erhält.
Hinschius, Kr. 15829, 30; Lector (Guthblin), Le conclave, 1894; Ceccarione,
I1 Conclave, 1900; Berthelet, Muß der Papst ein Italiener sein? 1894, Conclavi, pontefici e
cardinali nel secolo XIX, 1902; Die Conclavien des 19. Jahrhunderts, Hist.-pol. Bl. CXXXlII,
1903; Wurm, Die Papstwahl, 1902; v. Schulte, Die Papstwahl nach den Erlassen Pius' IX.,
Preuß. Jbb. LXVIII, 1891; Wahrmund, Das Ausschließungsrecht bei den Papstwahlen, 1888,
Beiträge zur Geschichte des Exklusionsrechtes, Wiener Ak. S. B., phil.-hist. Kl., CXXII, 1890, Zur
Geschichte des Exklusionsrechtes im 18. Jahrhundert, A. f. k. Kr. LXVIII, 1892, Die Bulle Aeterni
patris filius, ebenda LXXII, 1894, Die kaiserliche Exklusive im Konklave Innozenz XIII., mit
einem Anhang, betr. die Akten des päpstlichen Konsistorialarchivs über Sedisvakanz und Konklave,
Wiener Ak. S. B., phil.-hist. Kl., CLXX, 5, 1912; Sägmüller, Das Recht der Erxklusive,
Kath. LXIX 1, 1889, Die Papstwahlbullen, 1892, Der Anfang des staatlichen Ausschließungs-
rechtes, Kath. LXXIV 1, 1894, und im A. f. k. Kr. LXXIII, 1895, LXXVI, 1896; Giobbio,
Osterreich, Frankreich und Spanien und das Ausschließungsrecht im Conclave, 1904; PHivano,
Veto od Esclusiva nell’ elezione del pontelice, Studl .. in onore di. . Scialoja II, 1905;
Eisler, Das Veto der katholischen Staaten bei der Papstwahl seit dem Ende des 16. Jahr-
hunderts, 1907; Holder, Die Designation der Nachfolger durch die Päpste, 1892 und im A. f.
I. Kr. LXXII, LXXVI, LXXXII#CG 12), 1894, 1896, 1903; Hollweck, Kann der Paypst seinen
Nachfolger bestimmen? A. f. k. Kr. LXXIV, 1895 (dazu Gillmann, A. f. k. Kr. XC, 1910);
Sabatier, Comment on devient pape? 1901, Le pape peut-il désigner son successeur? Rev.
can., 1901; PôSriss, Liintervention du pape dans I’election de son successeur, 1902; Many,
Du droit des papes de désigner leur successeur, Revue de T’institut cath. de Paris, 1902.
1 Die Einrichtung der Stimmzettel ist am besten aus Lector (Guthlin), L'élection
papale, 1896, aus dem oben genannten, ausführlicheren Werke desselben Verfassers, aus de Waal,
Pius X. (5 43 S. 365, A. 5), aus: Die katholische Kirche unserer Zeit, herausgegeben von der Leo-
Gesellschaft 17, 1905, und aus den Papstwahlbeschreibungen zu ersehen, die mit Abbildungen
fast zu jedem Konklave erschienen sind.
* Im Konklave Pius' X. gab der Kardinal Puzyna von Krakau am 2. August 1903 im Auf-
trag des Kaisers von Osterreich die Erklärung ab, daß diesem die Wahl des Kardinals Rampolla
minder genehm sein würde, ein Veto, das zwar zunächst zu einem Protest führte, zu einem aus-
drücklichen und zu einem tatsächlichen (Steigen der Stimmen des Ausgeschlossenen), aber schließ-
lich doch beachtet wurde; vgl. darüber und über die Wahl Pius' X.: (Car d. Mathieu), Les
derniers jours de Léon XIII et le conclave par un tömoin, Revue des Deux mondes, 15 mars
1904 (mit einigen Abschwächungen und Auslassungen auch sep.) und dazu sowie zu der § 43 S. 365
A. 5 angeführten Lit. Baumgarten, Theol. Revue III, 1904 Nr. 15/16 Sp. 449 ff.
* Jeder Kardinal hat bei seiner Kreation (erstmals geschehen in dem oben S. 417 A. 2 er-
wähnten öffentlichen Konsistorium vom 30. November 1911), nach Beendigung eines Pontifi-
kates in der ersten Generalkongregation und nach dem Eintritt in das Konklave sich zur Nicht-
annahme und Nichtweitergabe nicht nur eines Vetos, sondern auch eines bloßen Wunsches eidlich
zu verpflichten. vg Stutz, Die Erxklusive bei der Papstwahl, Pius' X. Konstitution Commissum
Nobis, Stutz, Kr. A., 58. H., 1909 S. 231 ff. und darnach Friedberg, Die Staatsregierungen
und die Papstwahl, Deutsche Juristenzeitung XIV, 1909, Nr. 15/16 vom 1. August.