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nie contra ius commune. Autonomie 1 kommt außer den Dom= und Kollegiatkapiteln ins-
besondere kraft päpstlichen und bischöflichen Privilegs den Männerorden und kongregationen
zu; sie erzeugt zum Teil, aber nur mit kirchenobrigkeitlicher Genehmigung, für die betreffen-
den Kreise statutarische Satzungen oder Observanzen. Regelmäßig verpflichten die kirchlichen
Rechtssätze auch im Gewissen; sie sind in utroque koro, und es kommt ihnen zu vis directiva.
Hinschius, Kr. III 191, 194—196; Lingen et Reuss, Causae selectae in S. Con-
gregatione Cardin. Oonc. Trident. luterpr. propositae, 1871; Mühl baue r, Thesaurus resolu-
tionum S. C. Concilii —V, 1872 ff.; Decreta authentica Congregationis sacrorum Rituum, 7 Bde.,
1824 ff., 6 Bde., 1898 ff.; Decreta authentica 8. Congregationis Indulgentiarum, 1883 ff.;
Sei#z, Revision der Theorie über die Promulgation der Kirchengesete, Ztschr. f. Kr.= u.
Pastoralwiss. I, 1842; Fleiner, Die Tridentinische Chevorse rift (5,0 " 6); Koch, Die
moralische Verpflichtung der bürgerlich-weltlichen Gesetze, Th. Q. LXXXIV, 1902; Sammlungen
von Verordnungen deutscher Bischöfe bei Sägmüller, Kr. #. 47, 2 und riedberg,
Kr. s 46, N. 6, sowie Trzcins ki, Statuta et ordinationes archiepiscoporum, decreta officli
eckclesiastici. . archidioecesis Gnesnensis et Posnaniensis, 1906.
§ 85. Dispensation und Privileg.
Die Dispensation hebt die Wirkung eines Rechtssatzes für einen einzelnen Fall auf, ent-
weder nur für die Zukunft oder auch die schon eingetretene (d. in radice). Zuständig ist der
betreffende Gesetzgeber, also für das gemeine Recht der Papst, für das Provinzialrecht die
Provinzialsynode, für das Diözesanrecht der Bischof, dem aber durch die § 74 erwähnten Fakul-
täten auch zahlreiche päpstliche Dispensationsbefugnisse für das gemeine Recht eingeräumt zu
werden pflegen. Die Dispensation erfolgt gratis (aber Kanzlei= und Expeditionskosten !) und
entweder in forma gratiosa, durch direkte schriftliche Erledigung (keine telegraphischen Dispens-
gesuche nach Roml), oder in korma commissoria, durch Uberweisung an den Ordinarius zur
Prüfung und Erteilung, si ita res se habet. Im Gegensatz zur Dispensation hebt das Privileg
das Regelrecht für einen einzelnen Fall oder einen Komplex solcher auf und ersetzt es durch
Ausnahmerecht.
Hinschius, Kr. III ## 192, 193.
Viertes Kapitel.
Die Verwaltung des Kultus.
§ 86. Die Sakramente.
Durch das Sakrament vermittelt die Kirche die unsichtbare Gnade Gottes dem Menschen
unter einem sichtbaren Zeichen. Nach katholischer Lehre sind Sakramente:
1. Die Taufe (baptismus). Durch sie erwirbt man die Mitgliedschaft in der Kirche
und die kirchliche Rechtsfähigkeit. Die facultas baptizandi hat jedermann, auch wer weiblichen
Geschlechtes (Hebammentaufe) oder Häretiker ist, ja selbst ein Ungläubiger, das jus baptizandi
regelmäßig nur der Bischof und der Pfarrer, während die Laientaufe bloß als Nottaufe zulässig
ist. Die Taufe soll möglichst bald nach der Geburt nachgesucht werden; Nichtgetaufte, Ketzer,
Exkommunizierte, Nichtgefirmte und Ordensleute sind als Taufzeugen oder Paten nicht zu-
gelassen. Wegen der geistlichen Verwandtschaft, die durch die Patenschaft begründet wird,
sollen von den Erziehungsberechtigten nicht mehr als zwei Paten (und zwar von verschiedenem
Geschlecht) zugezogen werden.
Hinschius, Kr. IV § 200; Freisen, Taufritus in Schleswig-Holstein seit der Ein-
führung der Reformation bis heute, H. Ib. XXI, 1900; Eck, Die Begründung der kirchlichen
Mitgliedschaft nach kanonischem und baierischem Recht, 1900; Ste ffen, Die Wiedertaufe in
Theorie und Praxis der römisch-katholischen Kirche seit dem Tridentinischen Konzil, 1908.
1 Mit dieser Autonomie innerhalb des Kirchenrechts darf nicht verwechselt werden, daß inner-
halb des Staates das nicht zum Staatsgesetz erhobene, aber freigegebene Kirchenrecht überhaupt
als autonomische Satzung bzw. Observanz erscheint, wie oben S. 406 angedeutet wurde.
Uber die grundsätzliche Zulässigkeit der Spendung im Hause val. Dekret der Sakramenten-
kongregation vom 23. Dezember 1912.