Kirchenrecht. 445
Kirche außer wegen Amtsvergehen der Geistlichen nur noch wegen einer beschränkten Zahl von
Delikten wie Ketzerei und Verwandtes, wegen Verletzung geweihter Orte, Sachen und Personen
(sacrilegium), wegen Selbstmords, hartnäckigen Konkubinats mit Verwandten und Verschwägerten,
Simonie, Bigamie (§ 64, 3 b), Eingehung einer bloß bürgerlichen Ehe oder einer kirchlichen
unter Verschweigung wichtiger Hindernisse usw. ein. Die weitergehende Schulumschreibung,
wonach sie außer wegen delicta mere ecclesiastica auch wegen delicta mixti fori bei Gottes-
lästerung, Wucher, Meineid und zwar im Einzelfall durch Prävention zuständig würde, ist weder
für diese letztere Kategorie noch für den alten Umfang der eigentlich kirchlichen Delikte mehr
praktisch. Einer näheren Umschreibung bedürfen von den genannten Verbrechen die Ketzerei
haeresis formalis, d. h. die wissentliche (bei fehlendem dolus nicht strafbare haeresis materialis)
und hartnäckige Abweichung vom rechten Glauben, womit verwandt ist die Apostasie, der Abfall
vom Christentum, und namentlich das Schisma, die Lostrennung von der Kirche oder deren
Haupt (schisma sapit haeresim). Ferner die Simonie, so genannt nach dem Zauberer Simon
(AG. 8, 18), die Hingabe geistlicher Gaben und Güter (spiritualia) gegen weltlichen Vorteil.
Zuständig für den einzelnen Fall ist der kirchliche Obere des Wohnsitzes bzw. (bei vagi) des
Aufenthaltsortes und in Konkurrenz mit ihm der Ordinarius des forum delicti commisei.
Hinschius, Kr. V K 307—340, VI K 355, 356, 358; Scharnagl, Die strafrechtliche
Verfolgung der Häretiker, Monatsbl. f. d. kath. Rel.-Unterricht X, 1909; Biederlack, Das
Borgehen gegen unenthaltsam lebende Priester und Kleriker, Z. f. k. Th. XVIII, 1894; Leinz,
Die Simonie, 1902.
Die kirchlichen Straf-- und Disziplinarstrafmittel sind auch heute entweder poenae vindi-
cativae, welche die Sühne des begangenen Rechtsbruchs, oder poenae medicinales, auch oen-
surae genannt, welche so vorwiegend die Besserung oder die Beseitigung des rechtswidrigen
Verhaltens bezwecken, daß mit Erreichung dieses Zwecks das verhängte Ubel weggenommen
werden muß.
Hinschius, Kr. V K 3901, 302.
Von den noch praktischen Vindikativstrafen verdienen Hervorhebung: 1. als gegen Laien
anwendbar nur noch die Verweigerung des kirchlichen Begräbnisses, 2. als gegen Geistliche
gerichtet außerdem die Amtsentsetzung und zwar in den drei Abstufungen: a) der degradatio
mit Verlust des Amts, des Rechtes zur Ausübung der Weihe bei Unfähigkeit zum Erwerb anderer
kirchlicher Amter und — dies aber nur auf eine feierliche degradatio actualis hin, die durch
einen geweihten Bischof als actus contrarius der Ordination vorgenommen wird — der geist-
lichen Standesrechte, b) der depositio mit derselben Wirkung, den Verlust der Standesrechte
ausgenommen, und c) der privatio beneficür: Verlust des Amts unter Belassung des Rechtes,
den orclo auszuüben und ein neues Amt zu erwerben. Hierwon ist die Strafversetzung deshalb
eine mildere Abart, weil sie mit der Verleihung eines solchen (geringeren) Benefiziums sich ver-
bindet. Außer der sonst als Medizinalstrafe verwendeten Suspension, die aber auch vindikativ
auf bestimmte oder unbestimmte Zeit ausgesprochen werden kann, gehören schließlich noch
hierher der Entzug einzelner Amts-(Wahl-) oder Standesrechte, der Befugnis, zu predigen
und Beichte zu hören, zu höheren Weihen oder Amtem aufzusteigen, Gehaltsentziehung ,
Geldstrafe, Freiheitsstrafe (Verweisung in eine — staatlich beaufsichtigte — Demeriten= oder
geistliche Zuchtanstalt), Verweis u. a. m.
Hinschius, Kr. V K 298, 199; Gennari, Sulla privazione del beneficio ecclesiastico
e sul processo criminale dei chierici, 1905.
Von Zensuren werden gegen Laien und Geistliche verhängt: 1. der große Kirchenbann,
excommunicatio maior, der alle kirchlichen Rechte und Segnungen benimmt, aber auch (nach
Das staatliche Recht läßt nur reinkirchliche Strafmittel zu, also solche, die reinkirchliche
Rechte (z. B. auf kirchliches Begräbnis) oder bloß das religiöse Gebiet treffen (Bußwerke, Amosen,
Faktent Strafen wider Leib und Leben, Freiheit, Vermögen und die bürgerliche Ehre sind aus-
gelchlo sen. Und die Strafe darf sich nicht gegen den Staat kehren, also nicht wegen Treue gegen
kesen oder seine Gesetze verhängt werden (Baden, Hessen, Sachsen). Siehe auch oben S. 399
un .
* Siehe oben S. 407.