Kirchenrecht. 459
ein obligatorisches Recht 1. Beim Abgang: gebührt ihm oder seinen Erben ein verhältnis-
mäßiger Anteil an den Früchten des laufenden Jahres (annus deservitus, Verdienstjahr).
Darüber hinaus geht oft ein Anspruch auf den Sterbemonat oder das Sterbequartal. Uber
seinen Nachlaß kann der Geistliche auch nach Kirchenrecht frei verfügen; doch ist er im Gewissen
verpflichtet, die Kirche zu bedenken. Die Früchte der erledigten Pfründe (fructus intercalares)
fließen jetzt meist in einen Interkalarfonds für allgemein kirchliche Bedürfnisse.
Groß, Das Recht an der Pfründe, 1887; Galante, II beneficio ecclesiastico, 1895;
Brandis, Das Nutzungsrecht des Pfarrers an den Grundstücken der Pfründe, Göttinger jur. Diss.,
1889; Ober,. Die Art des Nutzungsrechtes der Pfarrer am Pfarrhofe nach elsaß-lothringischem
Staatskirchenrecht, A. f. k. Kr. XCIII, 1913; Glattfelter, Das preußische Gesetz betr. das
Diensteinkommen der katholischen Pfarrer, 1898t;: Tourneau, Das preußische Gesetz betr. das
Diensteinkommen der katholischen Pfarrer vom 26. Mai 1909, A. f. k. Kr. XC, 1910; über den-
selben Gegenstand auch Porsch im A. f. k. Kr. LXXVIII, 1898; Meurer, Aufbesserungsrecht
und Aufbesserungspolitik auf dem Gebiet des bayerischen Pfründenwesens, 1900, Das Gehalts-
recht der Pfarrer in Preußen, 1910; Geigel, Pfründennießbrauch zufolge des BGB., D. Z.
f. Kr. VIII, 1898, und dazu Meurer, Bayerisches Kirchenvermögensrecht, II, 1901, S. 285 ff.
Siehe auch die Lit. zu 5 101; Hollweck, Das Testament der Geistlichen nach kirchlichem und
bürgerlichem Recht, 1900; vgl. auch A. f. k. Kr. LXXXIII, 1903, S. 364 ff. "
Vierter Titel.
Das deutsch-evangelische’ Kirchenrecht.
Außer den zu Tit. 1 angeführten Lehr-- und Handbüchern kommt vor allem das grundlegende
Werk von Friedberg, Das geltende Verfassungsrecht der evangelischen Landeskirchen in
Deutschland und Osterreich, 1888 (V R.) in Betracht und daneben Köhler, Lehrbuch des deutsch-
evangelischen Kirchenrechts, 1895 sowie als Darstellung des wichtigsten Partikularrechts Schoen;,,
Preußisches Kirchenrecht (Pr. Kr.) I, II, (§ 48, 3).
Erstes Kapitel.
Die Rechtsquellen.
8 107. Kirchen= und Staatsgesetz, Gewohnheitsrecht, Corpus iuris canonici.
Die Heilige Schrift und die Bekenntnisse gelten in den deutschen, auch in den reformiert
beeinflußten Kirchen nur als Richtschnur, nicht als Rechtsquellen. Doch enthalten die Bekennt-
nisse (ss 45 und 46, wozu noch die seit der Aufnahme in das Konkordienbuch im Jahre 1580
ebenfalls als Bekenntnisschrift betrachteten Lutherischen Katechismen kommen; §§ 50, 51, 46)
gewisse leitende Grundsätze, die zum Teil in die Landeskirchengesetzgebung und das landes-
kirchliche Gewohnheitsrecht übergingen. Solche Gewohnheit, deren Träger aber alle Mitglieder
der einzelnen Kirche, nicht bloß die Geistlichen sind, deren Rationabilität sich nach evangelischen
Grundsätzen bemißt, und für die das Erfordernis der Dauer während der Verjährungszeit nicht
1 Daneben sind aest von großer Wichtigkeit die teils aus staatlichen, teils aus kirchlichen
Mitteln fließenden Aufbesserungen gering besoldeter Geistlicher auf ein Mindestgehalt von 1800 Mk.
(Preußen, Bayern, Baden, Elsaß-Lothringen), zu denen dann noch Dienstalterszulagen kommen.
Also ein gemischtes System von Pfründen und Gehalt. Vgl. jetzt für Preußen das Gesetz betr.
das Diensteinkommen der katholischen Pfarrer vom 26. Mai 1909, für Bayern den Ministerial-
erlaß vom 7. September 1902, A. f. k. Kr. XC, 1910 S. 667 ff., LXXXIII, 1903 S. 136 ff., für
Elsaß-Lothringen das Gesetz vom 15. November 1909, A. f. k. Kr. XC, 1910 S. 365 ff.
: Dieser erfolgt bei Lebzeiten stets in den kanonischen Formen der renuntiatio oder der
resignatio (§ 100), bewirkt aber bisweilen wie nach staatlichem Beamtenrecht die Fälligkeit eines
eigentlichen Ruhegehaltsanspruchs; vgl. z. B. das interessante Pensionsstatut für die Geistlichen
der Diözese Rottenburg vom 3. Dezember 1901, A. f. k. Kr. LXXXIII, 1903 S. 173 ff.
* Durch Kabinettsorder Friedrich Wilhelms III. vom 1. März bzw. 3. April 1821 wurde auf
Anregung Schleiermachers die Bezeichnung „Protestanten“, da sie aus der Zeit der konfessionellen
Streitigkeiten herrühre (also nur zeitgeschichtliche Bedeutung habe), für die preußische Landes-
kirche amtlich beseitigt und durch „Evangelische“ ersetzt.