Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

Kirchenrecht. 461 
Gemeinwesen die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen kann, unter denen die Kirche von der 
Selbstregierung absah und absehen durfte. Darüber, wie sie von dieser ihrer Selbstverwaltung 
Gebrauch machen soll, bestehen keine göttlichen Vorschriften (Mangel eines ius divinum). Nur 
darf die rechte Wort- und Sakramentsverwaltung nicht beeinträchtigt, und muß jede un- 
evangelische Verquickung von Glauben und Recht vermieden werden. 
Friedberg, BR. K 5—8. 
§ 109. Die kirchlichen Verbände. 
An sich stellt schon die Einzelgemeinde nach evangelischer Auffassung die Kirche dar. 
Jedoch weder nach früherem noch nach geltendem Recht erscheint sie derart als die Grundform 
der Kirche im Rechtssinn, daß der höhere und höchste kirchliche Verband nur als Bund solcher 
Kirchen, als Gemeindenkonföderation erschiene. Vielmehr wurde regelmäßig das Regiment 
des Landesherrn in Religionssachen zu der Grundlage, auf der die Bildung der evangelischen 
Kirchen im Rechtssinn sich aufbaute. Die evangelischen Kirchen sind nach geschichtlicher Ent- 
wicklung landesherrliche, ja Territorialkirchen. Im heutigen Recht spiegelt sich dies darin wider, 
daß Kirchen von Territorien, die aufgehört haben, politisch ein Sonderdasein oder doch ein 
selbständiges zu führen, fortbestehen, soferm nur eine regimentliche Trägerschaft weiter in sou- 
veräner Stellung für sie fortlebt. Folgendes sind nämlich die deutsch-evangelischen Kirchen- 
verbände: 1. die Kirche der neun älteren preußischen Pwvinzen (vor 1866); innerhalb derselben 
stehen sich die Kirchen der sieben östlichen Provinzen (Ostpreußen, Westpreußen, Brandenburg, 
Pommern, Posen, Schlesien, Sachsen) sowie der Hohenzollerschen Lande ½ einerseits und die- 
jenige der beiden westpreußischen Provinzen (Westfalen und Rheinprovinz) anderseits, welch 
letztere ihre ältere, presbyterial-synodale Verfassung, wenn auch mit einiger Angleichung, be- 
wahrt hat, in einer gewissen Sonderstellung gegenüber, indes alle zusammen durch die Union 
ihr charakteristisches Gepräge erhalten gegenüber 2. der lutherischen und 3. der reformierten 
Kirche der Provinz Hannover (erstere seit 1873/82 mit dem Jadegebiet, seit 1885 mit Wilhelms- 
hafen) sowie 4. der lutherischen Kirche von Schleswig-Holstein, zu der (seit 1892) Helgoland 
gehört, mit der lutherischen Kirche des Kreises Herzogtum Lauenburg; 5. der evangelischen 
Kirche (lutherische, reformierte und unierte Gemeinden) von Nassau (Konsistorium Wiesbaden): 
6. der ebensolchen Kirche des Konsistoriums zu Kassel (ehemals Kurhessen) und 7. den evan- 
gelischen (lutherischen und reformierten) Kirchengemeinschaften zu Frankfurt a. M. nebst den 
Landgemeinden. Das Kirchenwesen dieser 1866 hinzugekommenen Gebiete wird als provin- 
zielles Landeskirchentum bezeichnet. Dabei hat sich seit den vierziger und fünfziger Jahren 
des verflossenen Jahrhunderts ein Sprachgebrauch gebildet, der als preußische Landeskirche 
im weiteren Sinn alles zusammenfaßt, was, wenn auch nicht einheitlich organisiert, unter dem 
Kirchenregiment des Königs von Preußen steht, so daß dazu auch die Immediatgemeinden, 
Militärgemeinden, ausländischen Gemeinden 2, Anstaltsgemeinden (in Straf-, Erziehungs- und 
anderen Anstalten) gehören. Und in allemeunester Zeit scheint mit der Einrichtung gewisser 
einheitlicher Fondsverwaltungen für sämtliche preußische Landeskirchen, ja eventuell auch für 
ausländische Gemeinden, ein erster Anfang zu einer verfassungsrechtlichen Einigung gemacht 
zu sein; 8. die protestantische Kirche Bayerns diesseits (rechts) des Rheins (seit 1853 neben den 
lutherischen Synoden eine reformierte); 9. (seit 1848/9) die vereinigte protestantische (unierte Kirche) 
der Rheinpfalz; 10. die lutherische Kirche des Königreichs Sachsens; 11. die gleichfalls lutherische 
1 Hohenzollern gehörte tenher kirchlich zur Rheinprovinz, ist seit 1898 als selbständiger Kreis- 
synodalverband den Provinzialsynodalverbänden angereiht und der preußischen Landeskirche 
eingegliedert und heute nur noch kirchenregimentlich durch Unterstellung unter das rheinis 
Konsistorium in Koblenz mit der rheinischen Kirche verknüpft. 
: Ein Verzeichnis der preußischen Auslandgemeinden bei Schoen, Pr. Kr. 1 S. 241 N. 5 
und im Preuß. Hof= und Staatshandbuch beim Ev. Oberkirchenrat. Bgl. auch Mirbt, Die 
preußische Landeskirche und die Auslanddiaspora, Deutsch-Evangelisch im Auslande, VI, 1907. 
Über die preußische Landeskirche und die äußere Mission s. Schoen, Pr. Kr. II § 99. 
* Auch dieser sind Auslandgemeinden angegliedert; Sächsisches Kirchengesetz vom 12. März 
1908. Bezüglich der reformierten Gemeinden im Königreich Sachsen vgl. die Berf. vom 3. Juli
	        
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