Strafrecht. 45
Strafe, um mit der Zeit die Vorstrafen aus dem Strafregister und in allen ihren Wirkungen
tilgen zu können.
1. Strafverfolgungsverjährung. Die verwirkte Strafe ist vor dem Urteil
eine noch nicht bekannte Größe. Sie kann daher zur Bestimmung der Frist, innerhalb deren
sie verjährt, nicht verwendet werden. Darum läßt man das Maximum des Strafrahmens,
aus dem sie gebildet wird, entscheiden. Die Verjährungsfristen sind mithin nach der Art des
begangenen Delikts geregelt. Es verjähren Verbrechen i. e. S. in 10, 15, 20 Jahren, Vergehen
in 3 und 5 Jahren, Ubertretungen in 3 Monaten (5 67 StGB.). Die Schwere der konkreten
Straftat bleibt außer Ansatz, was immerhin für die Fälle, in denen sie sich schon vor dem Urteil
annähernd bestimmen läßt, zu nicht billigen Resultaten führt. So kann z. B. ein grober Unfug,
für den eine mehrwöchige Freiheitsstrafe am Platze wäre, nach Ablauf von 3 Monaten nicht
mehr verfolgt werden, während die geringfügigste Beleidigung erst in 5 Jahren verjährt.
Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Tag, an welchem die verbrecherische Tätigkeit statt-
findet. Auf den Zeitpunkt des Erfolgs kommt es nicht an (§ 67 Abs. 4 St GB.). Deshalb kann,
namentlich bei kürzeren Verjährungsfristen, der Erfolg in einer Zeit eintreten, in der das Delikt
bereits verjährt ist.
Um eine vorzeitige Verjährung zu hindern, bedarf es einer Unterbrechung derselben. Diese
geschieht nicht, wie man erwarten sollte, durch eine Handlung des Strafverfolgungsorgans, sondern
des Richters (§s 68 StGBB.). Jede richterliche Handlung, welche sich auf die der Tat verdächtige
Person bezieht, ist hierzu geeignet, daher z. B. auch der Beschluß auf Einstellung des Verfahrens.
Aber Requtisitionen, welche erst zur Ermittlung des Täters angestellt werden, vermögen die Ver-
jährung nicht zu unterbrechen. Die Wirkung der Unterbrechung besteht darin, daß die bis dahin ab-
gelaufene Verjährungszeit nicht in Anrechnung kommt, also die Frist von neuem zu laufen beginnt.
Eine andere Wirkung hat die bloße Ruhe der Verjährung (§ 69 StGB.). Eine Ruhe wird
durch ein rechtliches Hemmnis des Verfahrens herbeigeführt, z. B. durch das Verbot der Straf-
verfolgung gemäß § 238 StGB. oder durch die Aussetzung des Verfahrens zur Erledigung einer
Vorfrage, wie des Eigentums in dem Diebstahlsprozeß. Sie bewirkt, daß die vor ihr liegende
Zeit für die Berechnung der Verjährungsfrist mit herangezogen wird.
Glückte es dem Täter, sich während der unterbrochenen Verjährungsfrist der Straf-
verfolgung zu entziehen, so bleibt er ein und für allemal vor Verfolgung gesichert; denn der
Strafanspruch ist damit erloschen.
2. Strafvollstreckungsverjährung. Wear der Titer bereits rechtskräftig
zu einer Strafe verurteilt, so kann immer noch eine Verjährung der erkannten Strafe
eintreten. Aber die Strafvollstreckungsverjährung setzt den Ablauf einer längeren Frist voraus,
da durch das Urteil das Andenken an die Tat befestigt wird. Die Frist, welche mit dem Tag
der Rechtskraft des Urteils beginnt, stuft sich nach der Höhe der erkannten Strafe ab und schwankt
zwischen 2 und 30 Jahren (§ 70 St GB.). Eine jede Strafe verjährt, selbst die Todes- und die
lebenslängliche Freiheitsstrafe.
Da jede Strafe verjährt, muß es auch eine Verjährung für den Verweis, die das Gesetz
nicht anführt, geben und dieser als mildeste Strafe der kürzesten Verjährungsfrist unterworfen
sein. Selbstverständlich können aber der Strafvollstreckungsverjährung nur vollstreckbare Strafen
unterliegen. Nebenstrafen, bei denen es keiner Vollstreckung bedarf, weil sie ipso jure eintreten,
verlieren ihre Wirksamkeit mit Ablauf der Zeit, für die sie verhängt sind. Im übrigen verjähren
die Nebenstrafen mit der Hauptstrafe und demgemäß die neben einer Freiheitsstrafe erkannten
Geldstrafen nicht früher als jene (§ 71 StG.).
Die Strafvollstreckungsverjährung kann nicht ruhen; denn rechtliche Hindernisse der Straf-
vollstreckung kann es nach der Rechtskraft des Urteils nicht geben. Aber sie kann unterbrochen
werden, und zwar durch jede auf die Strafvollstreckung gerichtete Handlung der Strafvollstreckungs-
behörde (z. B. durch Vorladung, Festnahme, Steckbrief). Nach der Unterbrechung beginnt der
Lauf einer neuen Verjährungsfrist (§ 72 StGB.).
Ist die Frist ohne Unterbrechung abgelaufen, erlischt der Anspruch auf Bestrafung. Also
auch die Strafvollstreckungsverjährung enthält einen Strafaufhebungsgrund. Sie beseitigt so
wenig wie die Strafverfolgungsverjährung die rechtliche Existenz des Verbrechens.