Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

472 Ulrich Stutz. 
intendenten sogar Theologiestudierende predigen. Der übrige Gottesdienst ist nach der Agende 
zu halten. In Altpreußen können neue agendarische Bestimmungen der Landes= oder Pro- 
vinzialkirchengesetze, soweit sie die Sakramente betreffen, in der Einzelgemeinde ohne Zustim- 
mung der Gemeindeorgane nicht in Kraft treten. Die kirchliche Festtagsordnung bestimmt das 
Kirchenregiment, in Altpreußen das Kirchengesetz. 
Harleß, WGirche und Antt, 1853; Schoen, Pr. Kr. II 85 75—77, 86, 99, 100; Niedner, 
Das Verhältnis der Landeskirche zur inneren Mission, Pfarrarchiv IV, 1912. 
8 118. Die Lehre und die Ausbildung der Geistlichen. 
Die Kirche und ihr Lehramt haben Gottes Wort zu lehren. „Wenn auf Grund von Tat- 
sachen die Annahme gerechtfertigt erscheint, daß ein Geistlicher in seiner amtlichen oder außer- 
amtlichen Lehrtätigkeit mit dem Bekenntnis der Kirche dergestalt in Widerspruch getreten ist, 
daß seine femmere Wirksamkeit innerhalb der Landeskirche mit der für die Lehrwerkündigung allein 
maßgebenden Bedeutung des in der Heiligen Schrift verfaßten und in den Bekenntnissen be- 
zeugten Wortes Gottes unvereinbar ist“, so kommt es in Preußen (alte Provinzen 1) im Falle 
der Erfolglosigkeit eines vorangehenden persönlichen Beilegungsversuches zu einem Feststellungs- 
verfahren vor dem „Spruchkollegium für kirchliche Lehrangelegenheiten"“ (13 Mitglieder, nämlich 
Präsident, dessen weltlicher Stellvertreter und geistlicher Vizepräsident sowie dienstältestes geist- 
liches Mitglied des Evangelischen Oberkirchenrates, 2 auf Vorschlag desselben unter Mitwirkung 
des Generalsynodalvorstandes vorgeschlagene, vom König benannte ordentliche Professoren der 
Theologie, 3 von der Generalsynode gewählte Mitglieder, der Generalsuperintendent und 
3 Provinzialsfynodaldeputierte der Provinzialkirche des Amts= oder Wohnsitzes des zu Be- 
urteilenden, diese gleich den Generalsynodaldeputierten jeweilen auf eine sechsjährige General= 
synodalperiode zum voraus bestellt). In der Schlußentscheidung ist „nach freier, aus dem ganzen 
Inbegriff der Verhandlungen und Beweise geschöpfter Überzeugung festzustellen oder für nicht 
festgestellt zu erklären, daß eine weitere Wirksamkeit des Geistlichen innerhalb der Landeskirche 
mit der Stellung, die er in seiner Lehre zum Bekenntnisse der Kirche einnimmt, unvereinbar ist.“ 
Ungünstiger Ausgang bewirkt Erledigung des von dem Geistlichen bekleideten Kirchenamtes, 
Wegfall der Rechte des geistlichen Standes (Wiederbeilegung dem Oberkirchenrat vorbehalten) 
und Ersatz des Diensteinkommens oder Ruhegehalts durch ein Jahrgeld im Betrage des letzteren. 
Gelehrt wird in der Predigt und im kirchlichen ReligionsJugend- und Konfirmanden-unterricht, 
aber auch im Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen, welche die evangelische Kirche 
nicht von Rechts wegen zu religiöser Beaufsichtigung für sich beansprucht, auf die jedoch durch 
Erteilung von Religionsunterricht in irgendeiner Form einzuwirken zu ihrer Aufgabe gehört. 
Keine kirchlichen, wohl aber im Dienst der kirchlichen Interessen stehende Einrichtungen sind die 
Anstalten der sogenannten inneren Mission und der christlichen Liebestätigkeit. 
Das Recht, über die Ausbildung ihrer Geistlichen zu bestimmen, steht auch der evange- 
lischen Kirche zu. Besondere Bildungsanstalten beansprucht sie nicht, verlangt vielmehr Gym- 
nasialbildung und dreijähriges Universitätsstudium. Die schwierige Frage, wie das Interesse 
der theologischen Wissenschaft an der Freiheit ihrer Forschung und Lehre und dasjenige zu ver- 
einigen seien, das die Kirche an der Bewahrung ihres Lehramts vor theologischen Doktrinen 
hat, die entweder nur das subjektive Besitztum Einzelner oder bestimmter Richtungen oder noch 
nicht so abgeklärte und gesicherte Errungenschaften sind, daß sie in den kirchlichen Lehrschatz über- 
gehen können, sucht das geltende Recht dadurch zu lösen, daß es die gutachtliche Anhörung der 
obersten Kirchenregimentsbehörde (Oberkirchenrat in Altpreußen, Oberkonsistorium in Bayem, 
Landeskonsistorium in Sachsen) vor der Emennung von ordentlichen und außerordentlichen 
Professoren der Theologie vorschreibt. Zur praktischen Ausbildung bestehen dagegen Prediger- 
seminare unter kirchlicher Aufsicht (obligatorisch nur in Herbom und Friedberg; andere in Witten- 
Kirchengesetz betreffend das Verfahren bei Beanstandung der Lehre von Geistlichen vom 
16. März 1910 und Geschäftsordnung des Spruchkollegiums vom 31. Mai 1911, A. Kbl. LIX, 
1910, LX, 1911; ebenda Urteil vom 7. Juli 1911 gegen Pfarrer Jatho in Köln.
	        
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