Kirchenrecht. 477
durch Gesetz vom 12. Mai 1912 die kirchenregimentliche Besetzung gegenüber bisherigen reinen
Wahlpfarreien (bei Patronatspfarrern erst nach Erlaß eines die patronatische Besetzung be-
schränkenden Staatsgesetzes) dadurch wieder ausgedehnt worden, daß, falls Dotationen, Renten
oder Beihilfen, deren Jahreswert die Hälfte des Stelleneinkommens erreicht, aus landeskirch-
lichen oder staatlichen Fonds gewährt werden, die Kirchenbehörde abwechselnd mit dem sonstigen
Besetzungsberechtigten besetzt. Ubrigens sind von der Besetzung durch Wahl meist solche Stellen
ausgenommen, mit denen kirchenregimentliche Funktionen verbunden sind (Pfarreien mit
Superintendenturen u. a.) und (in Altpreußen seit 1912) für den betreffenden Fall neu er-
richtete Pfarrstellen, zu denen staatliche oder kirchliche Fonds ein Viertel des Gründungsauf-
wandes beigetragen haben, sowie solche, die durch kirchenobrigkeitliche Maßnahmen (Disziplinar-
spruch, Erkenntnis des Spruchkollegiums) und, was ihnen gleichsteht, erledigt sind.
Friedberg, BR. 5 22; Schoen, Pr. Kr. II ## 56, 57; Mikler, Die Pfarrerwahl
in der evangelischen Kirche in Ungarn, D. Z. f. Kr. XVII, 1907.
§ 126. Die Erledigung der Kirchenämter.
Zu den auch in der evangelischen Kirche anwendbaren Grundsätzen des kanonischen Rechts
treten hinzu die Emeritierung (Altpreußen), der Amtsverlust wegen festgestellter Irrlehre (§ 118)
und richtiger Ansicht nach auch in Preußen, besonders in Hannover (luth.), jedenfalls aber
in manchen mittel- und süddeutschen Landeskirchen die Versetzung im Interesse des Dienstes.
Der auf sein Ansuchen wegen körperlicher oder geistiger Unfähigkeit oder Erreichung eines be-
stimmten Alters (70 Jahre) Emeritierte behält die kirchlichen Standesrechte der Geistlichen und
kann mit Erlaubnis des zuständigen Pfarrers Amtshandlungen (Taufen, Trauungen) vornehmen.
Dagegen verliert der Geistliche, der zur Vermeidung oder Erledigung eines Irrlehreverfahrens
oder aus anderen Gründen bei voller Dienstfähigkeit auf sein Amt verzichtet, diese Rechte. Nicht
als Strafe, sondem auf dem Verwaltungswege findet bei Unfähigkeit oder Gebrechlichkeit auch
eine Emeritierung wider Willen statt, aber mit den Wirkungen der begründet nachgesuchten
freiwilligen Zurruhesetzung. Für die nichtgeistlichen Regimentsstellen gelten die Grundsätze
der Pensionierung von staatlichen Verwaltungsbeamten.
Friedberg, Bl. 5 23; Schoen, Pr. Kr. II ## 60, 64.
Siebentes Kapitel.
Die Verwaltung des Kirchenvermögens.
8§ 127. Besonderheiten gegenüber dem katholischen Recht.
Weil von dem Lehrgegensatz unabhängig, weist das evangelische Kirchenvermögensrecht
vielfache Ubereinstimmung mit dem katholischen auf. Bezüglich der Eigentumsfähigkeit ist wie
für jenes auf die Institutentheorie abzustellen. Die Weihe ist nur ein festlicher Akt, so daß eine
Gebrauchsbeschränkung sich lediglich aus der gottesdienstlichen Bestimmung der betreffenden
Gegenstände selbst ergibt. Die Stolgebühren, infolge der Entfremdung vielen Kirchenguts in
der evangelischen Kirche lange Zeit eine noch stärker als in der katholischen ausgebildete Einnahme-
quelle, sind infolge der Personenstandsgesetzgebung von 1875 zunächst beschränkt und seither
mit staatlicher Hilfe mancherorts abgelöst worden. Für besondere Verrichtung der Amtshand-
lungen, z. B. für Taufen im Hause, werden aber trotzdem Gebühren erhoben.
Schoen, Pr. Kr. II # 83, 87, 88, 95 und die § 102 S. 456 A. 1 angeführte Lit.;
Crisolli-Schultz, Verwaltungsordnung für das kirchliche Vermögen in den östlichen Pro-
vinzen der preußischen Landeskirche, 1904; Gebser, Verwaltungsordnung für das kirchliche
Vermöõgen . .. 1904. ÜNber die Gehalts- und Pensionsverhältnisse und die Stolgebührenfrage
vgl. Chronik der Christl. Welt 1902, Nr. 43—45; Stut, Art. Stolgebühren (§ 18, 3c.); Fritsch,
Zur Pfarrgemeindefrage, Grünhuts Zeitschr. XXXIV, 1907, XXXV, 1908.
Das Baulostrecht ist bei sonstiger Übereinstimmung mit dem tridentinischen Recht zum
Teil dadurch erweitert, daß die Gemeinden Fron(Hand= und Spannddienste zum Kirchenbau