Völkerrecht. 507
nach Maßgabe der heimischen Staatsverfassung vorgenommen sind. Es tritt nach außen immer
als handelndes Organ — selbst oder durch von ihm abhängige Vertreter — auf, auch wenn
staatsrechtlich noch die Mitwirkung anderer Organe vorgeschrieben ist.
In den Republiken und den konstitutionellen Monarchien der Gegenwart bindet die Ver-
fassung das Staatshaupt vielfach an die Zustimmung gesetzgebender Körperschaften bei Vor-
nahme einzelner völkerrechtlicher Handlungen, insbesondere bei Kriegserklätungen und beim
Abschluß von Verträgen, in den Vereinigten Staaten von Amerika auch bei der Emennung
von Gesandten. Oft wird ferner zu allen Regierungshandlungen die Gegenzeichnung eines
verantwortlichen Ministers erfordert; diese Vorschrift erstreckt sich auch auf die dem Ausland
gegenüber vorzunehmenden Regierungshandlungen. Der Minister — welches immer seine
völkerrechtliche Stellung sein mag (§ 11) — ist insoweit ein staatsrechtlich vom Oberhaupt un-
abhängiges Organ; denn die Gegenzeichnung kann ihm nicht aufgedrungen werden. Vielfach
wurde solchen Verfassungsbestimmungen schlechtweg Bedeutung für die völkerrechtliche Zu-
ständigkeit des Staatshaupts beigemessen. Doch ist (Nippold, Beling, Ullmann, Triepel, Liszt,
Schoen) folgendermaßen zu unterscheiden: Entweder will die Verfassung dem Staatshaupt
nur die staatsrechtliche Verpflichtung auferlegen, in den bezeichneten Fällen die parlamentarische
Zustimmung usw. einzuholen; die Nichterfüllung dieser Verpflichtung ist dann ohne Einfluß
auf die Gültigkeit des völkerrechtlichen Geschäfts. Oder der ohne die verlangte Mitwirkung
geäußerte Wille des Staatshaupts ist nach der Verfassung überhaupt nicht Staatswille; seine
Erklärung kann deshalb auch fremden Staaten gegenüber nicht als Erklärung des Staatswillens
gelten. Welche Auffassung im einzelnen Fall zutrifft, ist aus der konkreten Verfassung zu
entnehmen. «
Nach alter Praxis handeln die Staatshäupter im eigenen Namen, nicht in dem ihres
Staats. Juristisch sind aber ihre Handlungen solche des Staats. Berechtigt und verpflichtet
wird deshalb nur der Staat. Nur an ihn können fremde Staaten sich halten. Das handelnde
Staatshaupt können sie aus seinen Regierungsakten persönlich nicht in Anspruch nehmen, auch
nicht, wenn es in das Privatleben zurückgetreten ist.
Die vom Staatshaupt urkundlich abgegebenen Willenserklärungen bedürfen keiner Be-
glaubigung.
8§ 11. 2. Andere Staatsorgane und Gehilfen des Staatshaupts.
Literatur. Hübler: Die Magistraturen des völkerrechtlichen Berkehrs (Gesandtschafts-
und Konsularrecht) und die Exterritorialität, Berlin 1900; Stowell: Le consul, Paris 1909, und:
Consular cases and opinions, Washington 1909; Pillaut: Manuel de droit consulaire, Paris 1910;
Rev. 40 78, 44 5; Rivista 4 9. Vgl. ferner Literatur zu §85 29, 31, 36.
I. Als völkerrechtliche Staatsorgane sind neben dem Staatshaupt nam-
haft zu machen:
1. Militärische Befehlshaber im Kriege sind zuständig zum Abschluß von Verträgen rein
militärischen, nicht politischen Inhalts, z. B. Kapitulationen und Waffenruhe. Ihre Zuständig-
keit erstreckt sich nur auf ihren persönlichen und räumlichen Befehlsbereich sie besteht ausschließlich
in Kriegszeiten.
2. Legitime Kombattanten (§ 63) sind im Kriege zuständig zur Ausübung der kriegerischen
Gewalt.
Diese Staatsorgane sind vom Staatshaupt abhängig: ihre Zuständigkeit schränkt die
seinige nicht ein, wird vielmehr durch seine Willenserklärung begründet und aufgehoben. Sie
sind aber Staatsorgane; die innerhalb ihrer Zuständigkeit von ihnen vorgenommenen Hand-
lungen sind Staatshandlungen, ob sie dem Willen des Staatshaupts entsprechen oder nicht.
II. Gehilfen des Staatshaupts. Die hier namhaft zu machenden Per-
sonen, in der Regel Staatsbeamte, sind keine völkerrechtlichen Organe des Staats. Durch ihren
Willen erzeugen sie keinen Staatswillen; ihre Willenserklärung hat völkerrechtlich nur Be-
deutung, wenn und soweit sie dem Willen des Staatshaupts entspricht, ihn zum Ausdruck bringt
oder von ihm genehmigt wird. Sie erfüllen die Geschäfte, welche ihnen vom Staatshaupt
aufgetragen werden. Dabei ist das Staatshaupt frei. Deshalb ist nur das Ubliche darzustellen.