Völlerrecht. 515
Bei den von mehreren Staaten begrenzten Seen (Bodensee) spricht die Vermutung für
Realteilung; ein Kondominat der Uferstaaten wird im Interesse klarer Regelung der Verhält-
nisse gemm vermieden. Die Grenze der Eigenwässer wird vielfach durch den Punkt bestimmt,
an welchem die Ufer sich vom Meere aus zuerst auf zehn Seemeilen nähern.
3. Beschränkungen der Gebietshoheit.
8§ 19. a) Im allgemeinen.
Literatur. Clauß: Die Lehre von den Staatsdienstbarkeiten, Tübingen 1894; Brie:
Staatsdienstbarkeiten, Wörterbuch des deutschen Verwaltungsrechts; Schmidt: Der schwedisch-
mecklenburgische Pfandvertrag über Stadt und Herrschaft Wismar, Leipzig 1901; Perrinjaquet:
Des cessions temporaires de territoires, Paris 1904; Gérard: Des cessions déguisées de territcires,
Paris 1904; Hollatz: Begriff und Wesen der Staatsservituten, Diss., Preslau 1908; Land-
mann: Die europäischen Handelskolonien in China, Diss., Marburg 1911; Haager Schiedsspruch
über die nordatlantische Küstenfischerei vom 7. September 1910: 8 BölkK. 5 96; Rev. 37 53, 43
5, 131, 314; Rev. Gén. 6 113, 16 316, 19 421.
I. Die Beschränkbarkeit der Gebietshoheit. Die Gebietshoheit ist
beschränkt, wenn der berechtigte Staat eine bestimmte staatliche Einwirkung auf sein eigenes
Gebiet zugunsten anderer Staaten unterlassen oder die staatliche Einwirkung eines oder
mehrerer fremder Staaten dulden muß. Die Beschränkung kann im Interesse der allgemeinen
Freiheit bestehen, nach gemeinem Völkerrecht jedem Staat obliegen oder durch das ius in re
aliena eines anderen Staats herbeigeführt sein.
Es gibt keine Regeln darüber, welche Beschränkungen mit dem Bestand der bisherigen
Gebietshoheit vereinbar sind, welche sie erlöschen lassen. Der Berechtigte kann sich allen denk-
baren Beschränkungen unterwerfen; solange bei Abschluß des Rechtsgeschäfts der Wille nur
auf eine Beschränkung gerichtet ist, behält er die Gebietshoheit, mag deren Ausübung auch in
wesentlichen Richtungen auf einen fremden Staat übergegangen sein. In der Staatspraxis
wird die Abtretung der Gebietshoheit nicht selten verschleiert, in den Schein der Begründung
eines ius in re aliena gekleidet, eines Verwaltungs-, Nutzungs= oder Pachtrechts. Es gilt aber
das, was gewollt ist. Bei den einschlägigen Rechtsgeschäften ist deshalb zu untersuchen, ob sie
als solche ernst gemeint sind oder ob unter einem simulierten ein dissimuliertes Rechtsgeschäft
sich verbirgt. Den Ausschlag geben folgende Erwägungen: a) Kann nach dem Willen der Parteien
der Staat, dessen Gebietshoheit scheinbar nur beschränkt ist, sie noch an einen dritten Staat über-
tragen, oder steht diese Befugnis dem Staat zu, der scheinbar nur ein ius in re aliena erworben
hat? b) Als wessen Untertanen gelten die Bewohner des betreffenden Gebiets im auswärtigen
Verkehr?
II. Die Staatsdienstbarkeiten, dauemde Beschränkungen der Gebiets-
hoheit eines Staats zugunsten eines anderm. Sie gehen aktiv und passiv auf die Gebiets-
nachfolger über, obligatorische Rechte und Pflichten nicht (§ 45).
A. Affirmative Staatsdienstbarkeiten: 1. Das Recht der Etappenstraße, das Recht des
Staats, bewaffnete Truppen durch fremdes Gebiet marschieren zu lassen. 2. Das Besatzungs-
recht, d. h. das Recht, einen bestimmten Platz des fremden Gebiets mit Trppen dauernd zu
besetzen. 3. Wirtschaftliche und Verkehrsdienstbarkeiten: Post-, Eisenbahn-, Telegraphen=
gerechtigkeiten, Holz- und Fischereirechte. Eine Staatsdienstbarkeit besteht nur dann, wenn
der Berechtigte bei Ausübung seines Rechts die eigene Staatsgewalt betätigt; bloß ein obliga-
torischer Anspruch ist vorhanden, wenn er sich bzw. seine Untertanen hierbei der Staatsgewalt
des Verpflichteten unterwirft. Bei wirtschaftlichen Berechtigungen ist letzteres im Zweifel
anzunehmen: cit. Schiedsspruch a. a. O. 104/5.
B. Negative Staatsdienstbarkeiten: 1. Die dauernde Enrfestigung gewisser Plätze oder
Gegenden: Hüningen, Pariser Friede vom 20. November 1815, Art. 3 (Fleischmann 21). Fermer:
Berliner Kongreßakte, Art. 11 u. 52 (nicht ausgeführt), 29 (abgeändert 1909). — 2. Wüst-
legung von Grenzdistrikten, Friede von Adrianopel vom 14. September 1829 Art. 3 (Fleisch-
mann 29/30).
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