Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

50 F. Wachenfeld. 
angewandt wird, um die Unterlassung des Widerstandes gegen eine Handlung zu erzwingen. 
Da die Art der erzwungenen Handlung unerheblich ist, fällt nicht nur der Zwang zur Unter- 
lassung einer straflosen Handlung, wie z. B. die gewaltsame Verhinderung des Selbstmordes, 
sondern sogar der Zwang zur Unterlassung eines Verbrechens unter das Gesetz. Nur wer ein 
Recht hat, einen anderen vom Verbrechen abzuhalten, begeht kein Delikt, wie z. B. die Polizei 
und wie Privatpersonen in den Grenzen der Notwehr. Fehlt es an der obiektiven Berechtigung, 
so müßte stets Strafe eintreten. Aber das entspricht dann, wenn man mit der Nötigung, wie 
bei der Verhinderung eines Selbstmordes oder eines Verbrechens, ein gutes Werk zu tun glaubt, 
nicht der Billigkeit. Darum hat der Gesetzgeber durch die Hinzufügung des Merkmals der 
Rechtswidrigkeit die Strafbarkeit auf diejenigen Fälle beschränkt, in welchen der Täter das 
Bewußtsein der Rechtswidrigkeit besitzt. 
Als Mittel der Nötigung dienen sowohl irgendwelche, gegen die Person gerichtete Gewalt 
als auch Drohung mit einer schwereren und darum als Verbrechen i. e. S. oder Vergehen 
qualifizierten Rechtsverletzung. Nicht schon mit der Anwendung der Mittel, sondern erst mit 
dem Eintritt der erzwungenen Handlung oder Unterlassung ist das Delikt vollendet. War 
daher der Genötigte nicht zu dem gewünschten Verhalten zu bestimmen, so liegt bloßer — straf- 
barer — Versuch vor. Nahm er die Drohung nicht ernst, so ist der Versuch ein untauglicher 
und die Strafbarkeit von der Strafwürdigkeit des untauglichen Versuchs überhaupt abhängig. 
Die bloße Bedrohung an sich ist zwar, sofern mit einem Verbrechen i. e. S. gedroht wird, auch 
strafbar (5 241 StGBB.), aber kein Freiheitsdelikt. 
b) Freiheitsentziehung. 
I. Freiheitsberaubung. Zu den Freiheitsentziehungen gehört vor allem die 
Freiheitsberaubung (§s 239 Stec B.). Sie setzt wie jedes Freiheitsdelikt die Verhinderung freier 
Bewegung voraus und wird in der Regel durch Einsperrung, aber auch durch Fesselung, Be- 
täubung u. dgl. begangen. Gänzliche Unmöglichkeit der Bewegung wird begrifflich nicht 
gefordert. Auch der Gefangene in seiner Zelle hat noch eine gewisse Bewegungsfreiheit. Aber 
doch ist er seiner Freiheit beraubt, weil die Bewegungsfreiheit konzentrisch abgeschnitten ist. 
Auf die Mittel, mit denen der Täter sein Ziel erreichte, kommt es nicht an. Daher liegt in der 
heimlichen Narkotisierung ebenso Freiheitsberaubung wie in der Betäubung, welche durch einen 
Schlag auf den Kopf verursacht wird. 
II. Menschenraub. Die Freiheitsberaubung ist möglich, ohne daß sich der Täter 
der Person seines Opfers bemächtigt. Kommt letzteres hinzu, so entsteht das Verbrechen des 
Menschenraubs (5 234 StGB.). Die erheblich höhere Strafe, welche alsdann verwirkt ist, würde 
durch die bloße Bemächtigung noch nicht gerechtfertigt sein. Zu ihr muß hinzukommen: außer 
der Anwendung eines bestimmten Mittels (List, Drohung, Gewalt) die Verfolgung einer be- 
sonderen verbrecherischen Absicht, nämlich der, das Opfer in hilfloser Lage auszusetzen oder 
in Sklaverei, Leibeigenschaft oder auswärtige Kriegs- oder Schiffsdienste zu bringen. Die 
Betätigung dieser Absicht genügt; auf die Erreichung des Ziels kommt es nicht an. 
Sklavenraub. Sofemn der Sklavenraub in der Form des Menschenraubs verübt 
wird, ist er mit diesem unter Strafe gestellt. Aber auch darüber hinaus wird er nach dem 
Gesetz über Sklavenraub und Sklavenhandel vom 28. Juli 1895 geahndet. 
Kinderraub (§ 235 StEB.). Eine Abart des Menschenraubs ist der sog. Kinder- 
raub. Er setzt als Objekt eine minderjährige Person und als verbrecherische Tätigkeit nicht 
nur eine Bemächtigung, sondern auch eine Entziehung aus der elterlichen Gewalt voraus, ent- 
fällt also bei Einwilligung der Elterm. Die Verfolgung einer bestimmten Absicht, wie Anhalten 
zum Betteln, ist für das einfache Delikt nicht nötig, qualifiziert dieses aber. 
Frauenraub. Auch als eine Abart des Menschenraubs gilt die Entführung einer 
Frauensperson. Nach positivem Recht erscheint sie in zwei Formen, als Entführung erstens einer 
Frauensperson gegen deren Willen (F5 236 StGB.) und zweitens einer minderjährigen Frauens- 
person mit deren Willen, aber ohne Einwilligung des Gewalthabers (s§ 237 StGB.).
	        
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