Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

520 Paul Heilborn. 
Die Anerkennung kann aber widerrufen werden, wenn die beanspruchte Gebietshoheit längere 
Zeit hindurch nicht betätigt wird. Von Ländern, die er selbst in keiner Weise benutzt, kann der 
Staat andere auf die Dauer nicht ausschließen. Treu und Glauben erfordem indessen, daß 
der Widerruf der Anerkennung zunächst angekündigt, daß dem betroffenen Staat eine ange- 
messene Frist gewährt werde, die früher anerkannte Gebietshoheit nunmehr zu betätigen. 
(Karinenstreit zwischen Deutschland und Spanien 1885.) Für eine neue Okkupation ist er- 
forderlich: 
a) tatsächliche Besitzergreifung; die Okkupation muß „effektiv“ sein. Im Gegensatz zur 
privatrechtlichen Aneignung kann die staatliche Besitzergreifung sich nur durch einen staatlichen 
Herrschaftsakt betätigen. Art. 35 der Kongreßakte vom 26. Februar 1885 verlangt deshalb mit 
Recht die Einsetzung einer „Obrigkeit, welche hinreicht, um erworbene Rechte zu schützen“. Eine 
einmalige symbolische Besitzergreifung durch Aufhissen von Fahnen u. dgl. genügt nicht. Der 
Staat muß Organe einsetzen, welche seine Staatsgewalt dauernd betätigen. 
b) Der Wille muß auf Begründung der Gebietshoheit gerichtet sein. Besetzung eines 
Landstrichs ohne diesen Willen ist keine Okkupation: Errichtung wissenschaftlicher Beobachtungs- 
stationen, Festsetzung einer militärischen Expedition zu vorübergehendem Zweck. 
e) Aus der Natur der Okkupation als Betätigung staatlicher Herrschaft folgt, daß sie wahr- 
nehmbar sein muß. Für Okkupationen an der Küste des afrikanischen Festlands schreibt Art. 34 
der Kongoakte Notifikation an die Signatarmächte vor. Diesen soll Gelegenheit gegeben werden, 
ihre etwaigen Ansprüche sofort geltend zu machen. Die Notifikation soll demnach Klarheit über 
die Rechtsverhältnisse schaffen. Sie ermöglicht aber ferner den Erwerb eines Vorrechts auf 
Okkupation weiterer Landstriche (vgl. unten 5 b). 
4. Wirkungen der Okkupation: 
a) Der Erwerber begründet nur die völkerrechtliche Gebietshoheit allen anderen Staaten 
gegensüber. Die privatrechtlichen Eigentumsverhältnisse bleiben unberührt. Dies gilt sowohl 
für die Eingeborenen wie für die Angehörigen dritter Staaten. Die Obrigkeit soll ja hinreichen, 
um erworbene Rechte zu schützen. Auch auf die eigentümliche Organisation des im erworbenen 
Gebiet wohnenden Stammes übt die Okkupation keinen Einfluß aus. 
b) Die Gebietshoheit wird nur soweit erworben, als die Besitzergreifung sich räumlich 
restrect. Regelmäßig wird zunächst ein kleines Stück Landes der staatlichen Herrschaft unter- 
stellt und diese allmählich ausgebreitet. Der Erwerber nimmt aber stets mehr Land in Anspruch, 
als er auf einmal okkupieren kann: das orographisch oder hydrographisch mit dem bereits er- 
worbenen zusammenhängende Land. Neuerdings hat man behauptet, dem Erwerber eines 
Küstenstrichs gehöre das hinter diesem befindliche Land in der Breite der okkupierten Küste 
(Hinterland). Einerseits haben solche Ansprüche nie allgemeine Anerkennung gefunden; ander- 
seits hat man ihnen eine gewisse Berechtigung nicht absprechen können. Das Völkerrecht kennt 
mehrere Mittel zur Erlangung eines Vorrechts auf Okkupation bestimmter Landstrecken. Damit 
wird es den erwähnten Ansprüchen gerecht. 
5. Vorrechte auf Okkupation. Der Anspruch, ein bestimmtes Gebiet allein zu okkupieren, 
andere Staaten von dessen Okkupation auszuschließen, wird erworben: 
a) durch Abgrenzung der Interessensphären. Sie geschieht durch Vertrag zweier Staaten; 
ein jeder verpflichtet sich dem anderen, in dessen Interessensphäre keine Okkupationshandlung 
vorzunehmen. Die Adbgrenzung der Interessensphären ist ein obligatorisches Rechtsgeschäft 
und bindet nur die Vertragsparteien; es kann noch anderen Zwecken dienen und ist deshalb im 
Obligationenrecht (§ 49) zu besprechen; 
b) durch Notifikation des beanspruchten Vorrechts und darauf erfolgende Anerkennung 
desselben. Nach Oktupation eines kleineren Gebiets macht der Erwerber den anderen Staaten 
hiewon förmliche Mitteilung und gibt zugleich an, in welchem größeren Umfang er das benach- 
barte Gebiet beansprucht. Die Unterlassung von Widerspruch ist Anerkennung des Anspruchs 
von seiten der benachrichtigten Staaten. — (Anhang 1 zum Protokoll 8 der Berliner Kongo- 
konferenz vom 31. Januar 1885, Staatsarchiv 45 179 ff.) Wird die Ausdehnung der Okkupation 
auf das ganze beanspruchte Land dauernd unterlassen, so ist Aufkündigung der Anerkennung 
zulässig (vgl. oben z. 3);
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.