Völlerrecht. 531
Unterhändler, Bevollmächtigte kann jedermann absenden und empfangen. Die völker-
rechtliche Stellung eines Gesandten (5 11 II B) ist aber an folgende Erfordemisse geknüpft:
1. Aktive Gesandtschaftsfähigkeit des Absendestaats, passive Gesandtschaftsfähigkeit des
Empfangstaats. Erstere ist die Fähigkeit, Gesandte mit dem Anspruch auf Anerkennung des
diplomatischen Charakters zu emennen. Passive Gesandtschaftsfähigkeit ist die Fähigkeit, durch
Gewährung der diplomatischen Vorrechte an fremde Gesandte sich der Verantwortlichkeit für
deren Tun zu entschlagen. Die Ausübung der passiven Gesandtschaftsfähigkeit äußert auch
dritten Staaten gegenüber Wirkung: aus Handlungen des Gesandten im Gebiet des Empfang-
staats können sie grundsätzlich nicht diesen, sondern nur den Absendestaat in Anspruch nehmen,
während im allgemeinen derjenige Staat verantwortlich ist, in dessen Gebiet eine verletzende
Handlung vorgenommen wurde.
Ass vollkommen rechts- und handlungsfähig haben die souveränen Staaten aktive wie
passive Gesandtschaftsfähigkeit. Bei den halbsouveränen Staaten ist der jedesmalige Umfang
der Beschränkung entscheidend. Die Staaten des alten Deutschen Reichs hatten aktive und
passive Gesandtschaftsfähigkeit erlangt; den Vasallenstaaten der Türkei wurde sie dagegen aus
Anlaß des Falls Rosen in Belgrad 1875 abgesprochen. In den meisten Bundesstaaten kommt
die Gesandtschaftsfähigkeit nur der Zentralgewalt, im Deutschen Reich auch den einzelnen
Staaten zu (§ 8).
2. Ernennung des Gesandten durch das zuständige Organ des Absendestaats. Uber die
Befähigung der Persönlichkeit entscheidet das ernennende Staatsorgan nach freiem Ermessen.
Das Völkerrecht enthält hierüber keine Vorschriften.
3. Legitimation des Gesandten; hierzu dienen: die Pässe, das Beglaubigungsschreiben
(Kreditiv) und die Vollmacht zur Vornahme von Staatsgeschäften bestimmter Art.
4. Der Empfang des Gesandten seitens des Staats, bei dem er beglaubigt wurde. Eine
Pflicht zum Empfang besteht nicht. Um Zurückweisungen zu vermeiden, geht deshalb der förm-
lichen Ernennung meist eine vertrauliche Anfrage voraus, ob die in Aussicht genommene Per-
sönlichkeit genehm sei. Gegenwärtig empfängt kein Staat einen eigenen Untertan als Ge-
sandten eines fremden Staats; denn die Wahrnehmung der Rechte und Interessen eines fremden
Staats gegen den Heimatstaat ist mit den Pflichten eines Untertans oft nicht vereinbar. Für
Konsuln ist dieser Gesichtspunkt noch nicht anerkannt.
Der Empfang eines Gesandten hat vierfache Bedeutung: a) der Nachweis der Legiti=
mation wird anerkannt; b) die Ausübung der Funktionen wird zugelassen, sofem es einer Zu-
lassung bedarf: Ausübung der Personalhoheit über die Staatsangehörigen; c)h dem Gesandten
werden staatsrechtlich die Vorrechte gewährt, auf deren Einräumung der Absendestaat völker-
rechtlich Anspruch hat; d) dritten Staaten gegenüber wird der Empfangstaat von der Ver-
antwortlichkeit für das Tun des Gesandten befreit.
8 32. 5) Beginn und Ende der Gesandtenstellung.
I. Beginn. Nach seiner Ankunft am Ort der Mission ersucht der Gesandte den Minister
der auswärtigen Angelegenheiten des Empfangstaats um Anberaumung einer Audienz zur
Uberreichung seines Beglaubigungsschreibens. Nach dem Datum dieser Anmeldung richtet
sich seine Anciennität (§ 34 IV). Die Antrittsaudienz findet bei dem Staatshaupt bzw. Regenten,
die eines Geschäftsträgers bei dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten statt: der Ge-
sandte überreicht sein Beglaubigungsschreiben, eventuell auch die Vollmacht, mit einer An-
sprache; es wird in gleicher Form entgegengenommen. Das ist der Empfang. Mit ihm tritt
der Gesandte in seine Stellung ein.
II. Die Mission endet mit dem Tode des Gesandten, durch Abberufung seitens des Ab-
sendestaats, bei einem nichtständigen Gesandten mit Erledigung des Auftrags, ferner:
1. durch Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Absende= und Empfangstaat
oder auch nur zwischen diesem und dem Gesandten. Die diplomatischen Beziehungen werden ab-
gebrochen mit Beginn des Krieges, ferner bei schweren Rechtsverletzungen bzw. bei Verweigerung
der Sühne, endlich zwischen dem Empfangstaat und dem Gesandten, wenn dieser sich persönlich
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