Völlerrecht. 533
soll. Außerdem ist auch gegen den Gesandten Notwehr und Ausweisung zulässig. Leistet
er dem Befehl zum Verlassen des Staatsgebiets nicht Folge, so kann er zwangsweise über die
Grenze gebracht werden.
II. Die Exterritorialität.
1. Für die Ausübung seiner amtlichen Tätigkeit ist der Gesandte dem Empfangstaat in
keiner Weise verantwortlich, weder staats-, noch straf= oder zivilrechtlich. Die amtliche Tätig-
keit wird im Namen des vertretenen Staats geübt. Dieser trägt dem Empfangstaat gegenüber
die Verantwortung. Erteilt er einen Befehl, der nach Völkerrecht nicht erteilt werden durfte,
so ist die Ausführung auf seiten des Gesandten immer noch amtliche Tätigkeit.
2. Der Gesandte ist der Gerichtsbarkeit des Empfangstaats nicht unterworfen. Unverbind-
lich sind für ihn alle Normen, welche die Unterwerfung unter die Gerichtsbarkeit zur Voraus-
setzung haben, z. B. die Normen über Erscheinungs- und Zeugenpflicht. Nicht nur der Zwang
ist etwa gegen ihn ausgeschlossen, sondern die Norm wendet sich nicht an ihn. Im einzelnen
ist folgendes zu bemerken:
a) Unzulässig ist jedes Strafverfahren gegen einen fremden Gesandten, auch jede einzelne
Verfolgungshandlung, mag sie vom Richter, Staatsanwalt oder der Polizei ausgehen, ins-
besondere jede Verhaftung und Durchsuchung der Person. Strafbare Handlungen des Gesandten
berechtigen nur zur Ausweisung und zur Forderung der Aburteilung durch den Absendestaat;
dieser ist hierzu verpflichtet, falls die Handlung nach seinem Recht strafbar ist. Nach Beendigung
der Mission muß dem Gesandten hinreichende Zeit zum Verlassen des Landes gewährt werden.
b) Unzulässig ist jeder Zivilprozeß gegen einen fremden Gesandten sowie jede Zwangs-
vollstreckung. Klagen gegen ihn müssen bei den zuständigen Gerichten des Absendestaats an-
gebracht werden. Der Gesandte ist nur dem Forum rei sitae in Ansehung unbeweglicher Sachen
unterworfen. Zustellungen erfolgen hier auf diplomatischem Wege.
3. Der Gesandte ist keinem administrativen Zwangsverfahren unterworfen. Erfüllt er
ihm obliegende Verbindlichkeiten öffentlich-rechtlicher Natur nicht, so kann nur eine Beschwerde
an den Absendestaat eingegeben werden. Unzulässig ist auch ein Verwaltungsstreitverfahren.
4. Die Lokalimmunität. Sie soll die persönliche Freiheit des Gesandten, die Unverletzlich-
keit seiner Archive und die ungestörte Ausübung des Berufs gewährleisten. Deshalb dürfen
die Beamten des Empfangstaats das Gesandtschaftshotel zur Vornahme von Amtshandlungen
nicht betreten, geschweige denn solche daselbst vormehmen: Zustellungen, Durchsuchungen, Be-
schlagnahme, Verhaftungen. Das Hotel ist aber nicht real-exterritorial; die in ihm sich ab-
spielenden Ereignisse (Verbrechen, Geburten usw.) werden nicht so angesehen, als hätten sie
im Gebiet des Absendestaats stattgefunden. Der Gesandte darf ferner Verbrechern kein A-syl
gewähren. In Bürgerkriegen gilt eine Ausnahme als zulässig. — Die Unverletzlichkeit der Archive
erstreckt sich auf die amtlichen Schriftstücke, welche der Gesandte beim Betreten des Landes mit
sich führt, und von Rechts wegen auch auf die an ihn eingehenden Postsachen und Depeschen.
Das Reisegepäck wird deshalb keiner zollamtlichen Behandlung unterworfen (vgl. zu 5). Die
Unverletzlichkeit der Archive endet nicht mit der Mission des Gesandten. In solchem Fall
werden sie durch ihn selbst, durch einen Gesandtschaftsbeamten oder durch den Gesandten einer
befreundeten Macht sichergestellt.
5. Die Abgabenfreiheit. Der Gesandte ist befreit von der Entrichtung persönlicher Steuern,
mögen sie vom Staat oder von der Gemeinde erhoben werden: Einkommen-, Vermögens-,
Kopfsteuern. Entrichten muß er Grund- und Gebäude-, Handels- und Gewerbesteuem, Ge-
bühren und indirekte Steuern. Früher genoß er allgemein Zollfreiheit; doch ist diese in den
meisten Staaten aufgehoben bzw. abgelöst; es unterbleibt nur die Durchsuchung des Reise-
gepäcks.
6. Das Kapellenrecht. Der Gesandte darf in seinem Hotel eine Kapelle haben, von seinem
Pfarrer Gottesdienst abhalten und andere kirchliche Handlungen vornehmen lassen, auch wenn
die Abhaltung dieses Gottesdienstes im Empfangstaat sonst verboten ist. Zu dem Gottesdienst
darf er alsdann Angehörige des Empfangstaats nicht zulassen. Dieses Vorrecht hat nur in wenigen,
namentlich südamerikanischen Staaten noch praktische Bedeutung.