Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

538 Paul Heilborn. 
De la situation légale des sujets ottomans non musulmans, Brüssel 1906; Strisower: Konsular- 
Gerichtsbarkeit im österreich. Staatswörterbuch, 1907; Barduzzi: La giurisdizione consolare nelle 
terre islamiche, Turin 1910; BöhmsZ. 12 306; Z BölkR. 4 598; Rev. 8 573, 19 1, 38 52, 119, 
363; Rev. Gén. 6 341, 13 408, 14 5, 506, 534, 15 329, 541, 17 276; Rivista 1 509, 2 201, 256, 
517, 4 250, 6 428. 
Während des Mittelalters schützten die südeuropäischen Handelsstädte ihre Angehörigen 
in der Fremde, indem sie ihre Staatsgewalt durch die Konsuln unmittelbar zur Ausübung 
brachten. Zu dem Zwecke vereinbarten sie Konsularprivilegien: die Ortsobrigkeit verzichtete 
in weitgehendem Maße auf Gerichtsbarkeit und Zwangsgewalt über die Ausländer, der Konsul 
aber hatte für Ruhe und Ordnung unter seinen Schutzbefohlenen zu sorgen, strafbare Hand- 
lungen zu ahnden, die Rechtsstreitigkeiten zu schlichten. Dabei kam stets das heimische Recht 
zur Anwendung. Im christlichen Europa wurde diese Sonderstellung der Ausländer allmählich 
vom Territorialitätsprinzip verdrängt: die Fremden wurden dem Recht und der Gerichtsbarkeit 
des Aufenthaltstaats unterworfen; die Konsulargerichtsbarkeit hörte auf. In den mohammeda- 
nischen Mittelmeerländern und in der Türkei hat sie sich dagegen für die Angehörigen christlicher 
Staaten erhalten. Das Recht des Korans fand auf Christen keine Anwendung. Auch waren 
die Kulturgegensätze zu groß. Die Sonderstellung wurde durch Kapitulationen geregelt, d. h. 
durch staatsrechtliche Erlasse der Sultane, welche auf Vereinbarungen mit den christlichen Mächten 
beruhten. Mit der Erweiterung des Weltverkehrs wurde dieses System im 19. Jahrhundert 
vertragsmäßig auf andere nichtchristliche Staaten übertragen: China, Japan, Korea, Siam, 
Persien, Maskat, Sana, Zanzibar, Madagaskar, Samoa. In all diesen Ländem sollten die 
Angehörigen christlicher Staaten Rechtsschutz wie in der Heimat genießen, weil eine Unter- 
stellung unter das Recht des Aufenthaltstaats wegen der Verschiedenheit des Rechts und bei 
der Unsicherheit der Rechtsanwendung ausgeschlossen erschien. Die Angehörigen christlicher 
Staaten unterstehen deshalb daselbst in wesentlichen Richtungen nicht der Territorialhoheit 
des fremden Staats, sondern der Personalhoheit des Heimatstaats. Sie wird durch die Konsuln 
ausgeübt. (Vgl. das deutsche Gesetz über die Konsulargerichtsbarkeit vom 7. April 1900, 
RGBl. S. 213.) 
1. Die Konsulargerichtsbarkeit wird ausgeübt teils durch den Konsul als Einzelrichter, 
teils durch ein aus dem Konsul als Vorsitzendem und mehreren Laienrichtern als Beisitzem be- 
stehendes Konsulargericht, teils auch durch Schwurgerichte. Die Berufung geht in der Regel 
zaan ein höheres Gericht des Heimatstaats. Zur Anwendung kommt das heimische Recht, nach 
ihm regelt sich das Verfahren, soweit in beiden Hinsichten nicht Sonderbestimmungen erlassen 
sind. Die Organisation der Konsulargerichtsbarkeit ist Sache des Heimatstaats. 
2. Der Konsulargerichtsbarkeit unterworfen sind die Angehörigen des Heimatstaats und 
Schutzgenossen. In gemischten Sachen, d. h. in Prozessen zwischen Angehörigen verschiedener 
Staaten, gilt meist die Regel actor sequitur forum rei: die Sache wird je nach der Person des 
Beklagten vor dessen Konsulargericht bzw. vor dem Gericht des Aufenthaltstaats erledigt. Mit 
dem Gericht ist auch das anzuwendende Recht gegeben. 
3. Aufhebung oder Einschränkung der Konsulargerichtsbarkeit. 
a) Die Konsulargerichtsbarkeit ist neuerdings aufgehoben oder erheblich eingeschränkt in 
den von türkischer Herrschaft befreiten, christlichen Länderm, sowie in den einem christlichen Staats- 
wesen unterstellten, nichtchristlichen Länderm, sermer in Japan und Korea, weil der erforder- 
liche Rechtsschutz durch die Ortsgerichte verbürgt ist. In vollem Umfang besteht die Konsular- 
gerichtsbarkeit noch in Abessinien, China, Marokko, Persien, Siam und der Türktkei. 
b) In Agypten ist die Konsulargerichtsbarkeit eingeschränkt durch die seit 1. Februar 1876 
auf Grund von Vereinbarungen bestehenden internationalen Gerichtshöfe. Sie sind mit ein- 
heimischen und fremden Richtern besetzt. Es gibt drei Gerichte erster Instanz und einen Appell- 
hof in Alexandria. Für diese Gerichte sind besondere Prozeßordnungen und Gesetzbücher in 
Anlehnung an das französische Recht ausgearbeitet worden. Sie sind zuständig: 
a) in Zivilsachen für alle Streitigkeiten über in Agypten belegene Grundstücke, es seien 
denn beide Parteien Agypter; ferner für alle anderen Streitigkeiten zwischen Angehörigen 
verschiedener Staaten, einschließlich der Agypter;
	        
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