546 Paul Heilborn.
(der Bestimmungen eines Friedensvertrages), Garantie des territorialen Besitzstandes, der
Unabhängigkeit und Neutralität eines Staats, die Garantie der Verfassung, insbesondere der
Thronfolgeordnung. Die in einem Staatsvertrage übernommene Garantie der Anleihe eines
anderen Staats soll hingegen dessen Gläubigern privatrechtliche Sicherheit gewähren: der Garant
verspricht, an Stelle des Schuldners zu zahlen, falls dieser seinen Verpflichtungen nicht nach-
kommt; die von den Vertragsparteien hierbei wechselseitig übernommenen völkerrechtlichen
Verpflichtungen haben nicht den Charakter einer Garantie. (Vgl. den Vertrag der Großmächte
mit der Türkei vom 18. März 1885, betreffend die Garantie einer ägyptischen Anleihe, RGl.
1886 S. 301 ff.).
Der Garant verpflichtet sich, bei Eintritt des „Garantiefalls“ die vereinbarten, eventuell
alle verfügbaren Mittel, also auch Waffengewalt, anzuwenden, um den Schuldner zur Leistung
zu zwingen, oder um die Verletzung des garantierten Zustands zu verhüten. Im Gegensatz
zur privatrechtlichen Bürgschaft hat der Garant mithin nur Hilfe zu leisten gegen den Schuldner
oder Angreifer, nicht aber anstatt des Schuldners selbst zu leisten. Voraussetzung ist: a) der
Eintritt des Garantiefalls. Ob dies geschehen, hat der Garant selbständig nach Maßgabe des
Garantievertrags zu entscheiden; b) eine Aufforderung zur Garantieleistung seitens desjenigen,
dem sie versprochen ist. Will dieser Staat den Garanten nicht in Anspruch nehmen, so kann
ihm die Garantieleistung nicht ausgedrungen werden.
Gläubiger und Schuldner können das garantierte Rechtsverhältnis beliebig abändern,
die Verpflichtung des Garanten dadurch wohl erleichtern oder beseitigen, aber nicht erschweren.
Die Verpflichtung des Garanten erlischt, wenn das garantierte Rechtsverhältnis ohne seine
Zustimmung so geändert wird, daß sich der Eintritt des Garantiefalls erleichtern oder der Um-
fang seiner Pflichten vergrößern würde.
Die bisher dargestellte, nur eine Pflicht des Garanten erzeugende, „reine“ Garantie wird
zur „interessierten“ (Quabbe), wenn der Garantierte sich dem Garanten gegenüber zur Auf-
rechterhaltung und Verteidigung des garantierten Objekts verpflichtet und sich damit „des Rechts
bege.,en hat, selbständig über ein ihm gehöriges Recht zu verfügen“". Das Garantieverhältnis
selbst bleibt unverändert; aber neben die Unterstützungspflicht tritt das selbständige Recht des
Garanten, „eine sein Recht schädigende Handlung des Verpflichteten oder Dritter zu verhindern,
im letzteren Fall auch die Unterstützung des Garantierten zu fordern, eventuell den früheren
Zustand wiederherzustellen“. Solcher Art sind die Garantien der Unabhängigkeit und Neutralität
der Schweiz, Belgiens und Luxemburgs (§ 60 III). Vgl. auch die Garantie der Unabhängig-
keit und Integrität Norwegens (Vertrag vom 2. November 1907, Strupp 2 159).
§ 48. eQ) Der Auftrag.
Durch den Auftrag wird der beauftragte Staat ermächtigt, den Auftraggeber emem oder
mehreren bzw. allen anderen Staaten gegenüber zu vertreten. Durch Annahme des Auftrags
(Vertragschluß) wird der Beauftragte zu dessen Ausführung verpflichtet. Der Auftrag kann
sich auf ein bestimmtes Rechtsgeschäft oder auf eine Reihe solcher beziehen oder eine General=
vollmacht zu allgemeiner Vertretung überhaupt oder in einer bestimmten Richtung enthalten.
Den Hauptfall bildet der Auftrag zur Beschützung der Angehörigen des Auftraggebers einem.
dutten Staat gegenüber. Dieser Auftrag wird regelmäßig von jeder der Kriegsparteien bei
Ausbruch des Krieges einem neutralen Staat erteilt; fermer außerhalb des Krieges, wenn der
direkte Verkehr zwischen zwei Staaten abgebrochen ist; schließlich aus Sparsamkeit, um nicht
allzuviele Vertreter im Ausland unterhalten zu müssen. Vgl. Art. 21 des Handels= und Zoll-
vertrages zwischen dem Deutschen Reich und Osterreich-Ungarn vom 6. Dezember 1891 (Rl.
1892 S. 3). Einen anderen Fall bildet die bereits (§ 45 II) erwähnte Vertretung bei der Vertrag-
schließung.
Durch den Auftrag erhält der Beauftragte Vertretungsmacht. Die von ihm innerhalb
weiner Vertretungsmacht abgegebenen Willenserklärungen müssen als solche des Auftraggebers
angesehen werden. Der dritte Staat kann sich dem nicht widersetzen, wenn die Vertretungs-
macht nachgewiesen ist; doch braucht er sich in Unterhandlungen mit dem Vertreter nicht ein-
zulassen. Auch die Legitimation zur Beschützung der Staatsangehörigen des Auftraggebers