Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

558 Paul Heilborn. 
II. Privatpersonen können keine Kriege führen. Zur Verfolgung ihrer Ansprüche sind 
sie auf den Rechtsweg und auf den Schutz ihres Heimatstaats angewiesen. Anwendung von 
Waffengewalt gegen einen fremden Staat — mag sie berechtigten eigenen Interessen oder 
idealen politischen Bestrebungen dienen — ist ihnen verboten und wird vom angegriffenen, 
eventuell auch vom Heimatstaat als Verbrechen bestraft: Major Schill 1809, Garibaldis Expedi- 
tion nach Sizilien 1860. Den gleichen Charakter hat die gewaltsame Auflehnung von Unter- 
tanen gegen die eigene Staatsgewalt. Der Bürgerkrieg ist kein Krieg. Weder sind die Auf- 
rührer als Kombattanten (58 63, 65) zu behandeln, noch kommt im Verhältnis zu dritten Staaten 
das Neutralitätsrecht zur Anwendung. Die Niederwerfung des Aufstands ist innere Staats- 
angelegenheit. 
III. Die Behandlung eines Bürgerkriegs als innere Staatsangelegenheit ist nicht immer 
möglich, wenn die Rechte und Interessen dritter Staaten durch ihn ernsthaft in Mitleidenschaft 
gezogen werden. Mehrfach haben unbeteiligte Mächte deshalb die Aufständischen als krieg- 
führende Partei anerkannt und sich selbst für neutral erklärt. Diese Anerkennung der Auf- 
ständischen ist nicht an eine Einwilligung der angegriffenen Regierung, wohl aber an folgende 
Bedingungen geknüpft: 
A. Die Aufständischen müssen ein bestimmtes Gebiet wirklich besitzen, auf ihm die Herr- 
schaft vermittelst einer organisierten Regierung ausüben und von dort aus den Krieg gegen 
die angegriffene Regierung führen, so daß der Bürgerkrieg von dem zweier Staaten sich tat- 
sächlich nur durch den Namen unterscheidet. 
B. Der fremde Staat muß ein rechtliches Interesse an der Anerkennung der Auf- 
ständischen als kriegführende Partei haben. Ein rechtliches Interesse kann nur der Staat 
haben, welcher durch seine Untertanen unmittelbaren Verkehr mit dem Gebiet der Aufständischen 
unterhält: die angegriffene Regierung ist nicht imstande, diesen Verkehr zu *½ und 
lehnt — unter Berufung auf den Notstand — gern jede Verantwortung für Ubergriffe 
ab. Der fremde Staat hat das Interesse, für die Taten der aufständischen Truppen irgend 
jemand verantwortlich machen zu können. 
Die stets mit einer Neutralitätserklärung verbundene Anerkennung der Aufständischen 
als kriegführende Partei spricht weder die Rechtmäßigkeit der Erhebung noch die Anerkennung 
eines neuen Staats aus. Durch sie erlangen die Aufständischen dem Anerkennenden gegen- 
über für die Dauer des Kampfes lediglich die rechtliche Stellung, welche ein Staat in seiner 
Eigenschaft als Kriegspartei hat. Ihr Verhältnis zur angegriffenen Regierung wird nicht ge- 
ändert; diese sieht sie nach wie vor als Rebellen an. Die Anerkennung hat ferner zur Folge, 
daß auch die angegriffene Regierung dem anerkennenden Staat gegenüber die Rechte einer 
Kriegspartei ausüben darf. Das Neutralitätsrecht kommt demnach zur Anwendung. Ins- 
besondere können neutrale Handelsschiffe auf hoher See angehalten und wegen Blockadebruchs 
oder Zuführung von Kriegskonterbande (&## 73, 74) weggenommen werden. Durch die An- 
erkennung der Aufständischen als kriegführende Partei wird endlich die angegriffene Regierung 
von jeder Verantwortung für die Handlungen jener frei. Dafür kann der anerkennende Staat 
sich an die aufständische Regierung selbst halten. 
§ 60. 3. Die Neutralität. 
Literatur. Hautefeuille: Des droits et des devoirs des nations neutres en temps de 
uerre maritime (3), 4 Bde., Paris 1868; Ortolan: Rögles internationales et diplomatie de 
a mer (4), Paris 1864; Geßner: Le droit des neutres sur mer (2), Berlin 1876 Kleen: Lois et 
usages de la neutralité, 2 Bde. Paris 1898/1900; Schweizer: Geschichte der schweizerischen 
Neutralität, 2 Bde., Frauenfeld 1895; Hill: The conception and realization of neutrality, Bl m 
; Schopfer: Le principe juridique de la neutralité et son évolution dans I’histoire du dot 
de la guerre, Lausanne 1904; Verraes: Les lois de la guerre et la neutralité, 2 Bde., Brüssel 1906; 
Ottolenghi: II rapporto di neutralità, Turin 1907; Huber: Das Neutralitätsrecht in seiner neuesten 
Gestaltung (Festgabe der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät Zürich für den Schweizer 
Juristenverein), Zürich 1908; Wicker: Neutralization, Oxford 1911; Baldassari: La neutralizea- 
zione, Rom 1912; Descamps: L'Etat neutre A titre permanent, Paris 1912; Rev. 39 253; Rev. 
Gén. 12 577, 13 92, 14 517.
	        
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