Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

Bölkerrecht. 563 
haben „kein unbeschränktes Recht in der Wahl der Mittel zur Schädigung des Feindes“ (Land- 
kriegsordnung 22). In der Aufstellung von Schranken für die Anwendung von Gewalt und 
List wird mit Recht das wirksamste Mittel zur Humanisierung des Krieges erblickt. Die leitenden 
Gesichtspunkte sind: 
1. die Gewalt ist erlaubt, soweit sie zur Erreichung des Kriegszwecks notwendig ist. Jede 
hierzu nicht erforderliche Gewalttat ist verboten. Wo die Widerstandskraft gebrochen ist, erscheint 
die nachfolgende Vernichtung als überflüssige und deshalb unzulässige Grausamkeit. Hiemach 
sind zwar die furchtbarsten Massentötungen erlaubt, dagegen ist die Wahl einer besonders qual- 
vollen Todesart verboten, wenn der Zweck auf anderem Wege erreicht werden kann. Durch 
den Kriegszweck nicht geboten und deshalb grundsätzlich verboten ist die Gewalt gegen die fried- 
liche Bevölkerung des feindlichen Landes und — wenigstens im Landkrieg — gegen ihr Privat- 
eigentum. 
2. „Kriegslisten und die Anwendung der notwendigen Mittel, um sich Nachrichten über 
den Gegner und das Gelände zu verschaffen, sind erlaubt“ (Landkriegsordnung 24). Verboten 
ist jeder Mißbrauch der Formen und Zeichen, welchen nach Kriegsrecht eine besondere Bedeutung 
zukommt: Mißbrauch der feindlichen Uniform oder Abzeichen, der Parlamentärfahne, des roten 
Kreuzes (ibid. 23f). Unerlaubt ist femer der Bruch eines mit dem Gegner geschlossenen 
Vertrages. 
Auch dem Feinde gegenüber kommt das Repressalienrecht zur Geltung. Viele Kriegs- 
rechtsregeln behalten ein Notrecht besonders vor. Den formulierten Satzungen gegenüber 
sollte im übrigen die Berufung auf den Notstand ausgeschlossen werden: gewisse Handlungen 
sind schlechthin verboten. 
8§ 65. d) Kriegsmittel gegen feindliche Personen. 
Literatur. Adler: Die Spionage, Marburg 1906; Liepmann: Der Kieler Hafen im 
Seekrieg, Berlin 1906; Rocholl: Die Frage der Minen im Seekrieg, Marburg 1910; du Pagart: 
Le prisonnier de guerre dans la guerre continentale, Paris 1910; Philit: La guerre abrienne, 
Montpellier 1910; Probst: Die Kriegsgefangenen nach modernem Völkerrecht, Diss. Greifswald 
1911; Böhms Z. 16 121; Rev. 32 151, 36 445, 38 567, 706, 39 211, 299; Rev. Gén. 5 297, 14 197, 
17 630. 
I. Die Kombattanten (Landkriegsordnung 23 a-e). Als Organe des Gegners 
zur Kriegführung sind die feindlichen Kombattanten dem Angriff ausgesetzt. Sie dürfen kampf- 
unfähig gemacht werden. Das hierzu Notwendige ist erlaubt, mehr aber nicht. Wer durch 
Gefangennahme kampfunfähig gemacht ist oder sich freiwillig ergibt, darf deshalb nicht mehr 
verwundet oder getötet werden. Ebenso ist die absichtliche Tötung des durch eine Verwundung 
kampfunfähig Gewordenen unerlaubt. Unzulässig ist demnach die Erklärung, daß kein Pardon 
gegeben werde. Verboten ist die Anwendung von Mitteln, welche den Tod oder qualvolle 
Leiden des einzelnen notwendig herbeiführen, obgleich die Verwundung genügt, um ihn kampf- 
unfähig zu machen: Gift oder vergiftete Waffen, das Schießen mit Glas, gehacktem Blei, Spreng- 
geschosse und mit entzündlichen oder brennbaren Stoffen gefüllte Geschosse von weniger als 
400 g Gewicht (Petersburger Deklaration vom 11. Dezember 1868, Fleischmann 88). Vgl. 
fermer die zweite und dritte „Erklärung“ der Mächte auf der ersten Haager Konferenz (ibid. 318). 
Verboten ist weiter die meuchlerische Tötung und Verwundung. Erlaubt ist dagegen die Ver- 
wendung von Granaten und Shrapnels, das In-die-Luft-Sprengen ganzer Schiffe und Truppen- 
körper. 
Nicht im Interesse der feindlichen Streitkräfte, sonder wegen der Gefahr für die fried- 
liche, insbesondere für die neutrale Schiffahrt unterliegt die Verwendung unterseeischer Minen 
gewissen Einschränkungen. Abhängige Minen, welche vom Ufer aus durch Zündleitungen zur 
Explosion gebracht werden, behält die Macht, welche sie legt, durchaus in der Hand. Anders 
die selbsttätigen Kontaktminen, welche keine Verbindung mit dem Lande haben und sich durch 
bloße Berührung mit einem Schiffskörper entladen. Das 8°% Haager Abkommen gestattet ihre 
Verwendung nur bei Beobachtung bestimmter Vorsichtsmaßregeln; indessen ist deren Wirk- 
samkeit problematisch. Der Gefahr einer Blockade durch Minen statt durch Streitkräfte ist nicht 
hinreichend vorgebeugt. Die Zulässigkeit von Treibminen überhaupt sowie von Kontaktminen 
36“
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.