Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

Bölkerrecht. 569 
1. Die Gesetzgebung. Soweit die Sicherheit und die Bedürfnisse des Okkupanten, seiner 
Armee und seiner Zivilbeamten es erforderm, kann er die heimische Gesetzgebung im besetzten 
Gebiet außer Kraft setzen und die einschlägigen Verhältnisse durch eigene Verordnungen regeln. 
Fär seine Truppen und seine Beamten ist allein sein Recht maßgebend. Aber auch Angriffe 
gegen sie und gegen seine Verwaltung werden nach seinem Recht und von seinen Behörden 
geahndet. Im Interesse seiner Armee kann er femer die heimische Zollgesetzgebung suspen- 
dieren. Für die Bewohner des okkupierten Landes in ihrem Veryältnis untereinander bleibt 
dagegen grundsätzlich das heimische Recht maßgebend. 
2. Die Verwaltung. 
a) Die Behörden. Die oberste Behörde im besetzten Gebiet ist notwendig eine vom 
Okkupanten eingesetzte Militär= oder Zivilverwaltungsbehörde. Durch sie wird die Tätigkeit 
jeder Behörde der heimischen Staatsgewalt, die nicht innerhalb des besetzten Gebiets ihren 
Sitz hat, abgeschnitten (Loening). Die Behörden innerhalb des besetzten Gebiets können zum 
Weiterarbeiten nicht gezwungen, aber vom Okkupanten in ihrer Tätigkeit belassen werden. 
Soweit sie ihre Funktionen einstellen oder derselben vom Okkupanten enthoben werden, hat 
dieser eigene Behörden einzusetzen. 
b) Die Einnahmen und Ausgaben. Der Okkupant varf sich die Einnahmen des besetzten 
Gebiets aneignen, soweit sie sonst in die Kasse der verdrängten Staatsgewalt oder in eine öffent- 
liche Kasse außerhalb des olkupierten Landes fsließen würden. In entsprechendem Maße muß 
er die Kosten der Verwaltung tragen. Die Erhebung der sonst an die verdrängte Staatsgewalt 
zu entrichtenden Steuern, Zölle und Abgaben soll möglichst nach Maßgabe der für ihre Er- 
hebung und Verteilung geltenden Vorschriften erfolgen. Andere Abgaben dürfen nur zur Ver- 
waltung des besetzten Gebiets oder zur Deckung der Bedürfnisse des Heeres von dem Olkupanten 
erhoben werden. Zu den Einnahmen gehören auch die aus dem unbeweglichen Staatsvermögen, 
insbesondere aus Domänen und Forsten: ihre Bewirtschaftung hat nach den Regeln des Nieß- 
brauchs zu erfolgen, d. h. der Okkupant darf sich nur den Ertrag aneignen, muß aber den Grund- 
stock unangetastet lassen. Eine Veräußerung des unbeweglichen Staatseigentums ist unzulässig, 
weil sie Aneignung voraussetzt. 
e) Die Verkehrsmittel unterstellt der Okkupant seiner Verwaltung oder doch seiner Auf- 
sicht. Die Einnahmer kann er sich nur aneignen, wenn sie sonst dem feindlichen Staat zufließen 
würden. 
3. Die Bewohner des besetzten Gebiets haben Anspruch auf Schutz und friedliche Be- 
handlung, wenn sie sich selbst friedlich verhalten. „Die Ehre und die Rechte der Familie, das 
Leben der Bürger, das Privateigentum, die religiösen Uberzeugungen und die gottesdienst- 
lichen Handlungen sollen geachtet werden.“" Die Landesbewohner müssen jede Schädigung 
des Okkupanten unterlassen: Angriffe gegen dessen Truppen und Beamte, Zerstörung oder 
Beschädigurg der Wege, Brücken urd Verkehrsmittel, Unterstützung der heimischen Kriegsmacht 
durch Zuzug oder Ubermittlung von Nachrichten. Kraft des passiven Kriegstandes (s 63 I B) 
mütssen die Bewohner des besetzten Gebiets die Einquartierungslast, eventuell auch die Ver- 
pflegung der fremden Truppen und Beamten, auf sich nehmen. Kraft seiner Regierungs- 
rechte kann der Okkupant die Vomahme öffentlicher Arbeiten (Wege- und Brückenbau) von 
ihnen fordern und erzwingen. Das von ihm besetzte Gebiet bleibt für ihn aber fremdes 
Gebiet. Deshalb darf er die Bevölkerung weder zur Ableistung eines Treueids noch zur 
Teilnahme an den Kriegsunternehmungen gegen ihr cigenes Land (23 5), auch nicht zur 
Erteilung von Auskunft über das Heer oder die Verteidigungsmittel des Heimatstaats (44) 
zwingen. Letzteres Verbot ist vom Deutschen Reich und von einigen anderen Staaten nicht 
angenommen. 
Widersetzen sich die Landesbewohner den erlaubten Anforderungen des Okkupanten, oder 
schädigen sie ihn durch Angriffe, so können sie von ihm strasrechtlich verfolgt werden. Doch darf 
die Strafc nur die Schuldigen treffen. „Keine Strafe in Geld oder anderer Art darf über eine 
ganze Bevölkerung wegen der Handlungen einzelner verhängt werden, für welche die Be- 
völkerung nicht als mitverantwortlich angesehen werden kann.“ Sehr bestritten ist es, ob der 
Oktupant das Wohlverhalten der Bevölkerung durch Entnahme von Geiseln sichern darf. Die
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.