Bölkerrecht. 573
die zur Beförderung benutzten Züge weder Kriegspersonal noch Kriegsmaterial mit sich führen.
Er ist in solchen Fällen verpflichtet, die erforderlichen Sicherheits- und Aufsichtsmaßregeln zu
treffen. Die der Gegenpartei angehörigen Verwundeten oder Kranken, die unter solchen Um-
ständen von einer der Kriegsparteien auf neutrales Gebiet gebracht werden, sind von dem
neutralen Staat derart zu bewachen, daß sie nicht von neuem an den Kriegsunternehmungen
teilnehmen können. Das ist ein Kompromiß, um die Abschiebung der Verwundeten und
Kranken nach neutralem Gebiet zu erleichtern (Abk. 1 2, 11/5). Im Kriege 1870/71 trat
die Bourbakische Armee, 80 000 Mann stark, auf schweizerisches Gebiet über: Konvention von
Verrieres vom 1. Februar 1871.
IV. Der neutrale Staat darf Kriegsschiffen und Prisen gestatten, seine Küstengewässer
zu durchfahren und sich der von ihm bestellten Lootsen zu bedienen. Aufenthalt in neutralen
Häfen, Reeden und Küstengewässem soll Kriegsschiffen grundsätzlich nur vierundzwanzig Stunden
gestattet werden (diese Beschränkung hat Deutschland nicht angenommen), es sei denn eine
Verlängerung wegen Beschädigungen oder wegen des Zustands der See erforderlich. In
einem und demselben Hafen (Reede) dürfen sich höchstens drei Kriegsschiffe eines Kriegführenden
zu gleicher Zeit befinden. Treffen Schiffe der Gegner im neutralen Hafen zusammen, so darf
die zuletzt absegelnde Partei den Hafen erst verlassen, wenn vierundzwanzig Stunden seit der
Abfahrt der ersten Partei verstrichen sind. — In neutralen Häfen und Reeden dürfen die Kriegs-
schiffe nur ihre Seetüchtigkeit, nicht die Kriegstüchtigkeit wiederherstellen und verbessem; also
darf auch die Besatzung nicht ergänzt werden. Der Vorrat an Lebensmitteln darf bis zum
regelmäßigen Friedensbestand ergänzt werden, der an Feuerungsmaterial soweit erforderlich
zur Erreichung des nächsten heimischen Hafens. Nach einer von Deutschland nicht angenommenen
Regel darf ein Schiff, welches einmal Feuerungsmaterial erhalten hat, in den Häfen der näm-
lichen neutralen Macht seinen Bedarf erst nach drei Monaten emeuern (Abk. II 10/20).
Prisen darf der Zutritt zu neutralen Häfen und Reeden gestattet werden: 1. um bis zur
Entscheidung des Prisengerichts in Verwahrung gehalten zu werden; dies soll der Zerstörung
von Prisen vorbeugen; 2. wegen Seeuntüchtigkeit, wegen ungünstiger See sowie wegen Mangels
an Feuerungsmaterial oder an Vorräten, bis zur Behebung dieser Hindemisse. Bei hiemach
unerlaubtem Aufenthalt muß der neutrale Staat die ihm zur Verfügung stehenden Mittel an-
wenden, um die Prise mit ihrer Besatzung zu befreier, die vom Kaptor auf sie gelegte Be-
satzung aber zu internieren (Abk. II 21/3). Bei entsprechendem Verhalten eines Kriegsschiffs
ist der neutrale Staat berechtigt, es zu desarmieren, d. h. es unfähig zu machen, während der
Dauer des Krieges in See zu gehen, und die Besatzung zu internieren ((ibid. 24). Zahlreiche
Fälle im ostasiatischen Krieg.
Verwundete, Kranke und Schiffbrüchige, welche von einem neutralen Kriegsschiff auf-
genommen oder von einem Kriegführenden im neutralen Hafen mit Genehmigung der Orts-
behörde ausgeschifft worden sind, hat der neutrale Staat auf Kosten ihres Heimatstaats für die
Dauer des Kriegpes zu intemieren (100 Haager Abk. 13, 15). Auch diese Bestimmung soll die
Abschiebung auf neutrales Gebiet erleichterm.
3. Der neutrale Handel.
Bgl. die Literatur zu § 60 und zu § 66 III. Marstrand-Mechlenburg: Das japanische Prisen-
recht, Berlin 1908; Ozanam: La juridiction internationale des prises maritimes, Paris 1910;
Krauel: Preußen und die Freiheit neutraler Güter auf feindlichen Schiffen (Gierke-Festschrift),
Breslau 1910; Arch OffR. 26 513; Rev. 33 623, 38 434.
8 72. a) Die allgemeinen Grundsätze.
I. Die neutralen Staaten sollen in den Krieg nicht verwickelt werden. Das gilt nicht
nur für die Staaten selbst, sondern auch für ihre Untertanen. Sie können insbesondere während
des Krieges Handel treiben: denn der Handel ist an sich ein friedliches Gewerbe. Im 18. Jahr-
hundert wurde der Krieg noch oft dazu benutzt, neben dem seindlichen auch den neutralen Handel
zu schädigen. Ein solches Vorgehen ist im 19. Jahrhundert durchaus unzulässig geworden.
Der neutrale Staat kann jede Störung des friedlichen Handels seiner Untertanen untersagen.